: Keine Dringlichkeit mehr
■ DDR-Übersiedler erhalten künftig nur noch einen Wohnberechtigungsschein ohne Dringlichkeitsstufe / Im Oktober waren nur noch 1.061 Sozialwohnungen frei
Übersiedler aus Ost-Berlin und der DDR werden ab sofort wie alle anderen Wohnungssuchenden behandelt. Sie erhalten zwar auch weiterhin einen Wohnberechtigungsschein, aber nicht mehr automatisch eine Dringlichkeit. Der Senat stimmte am Dienstag einer entsprechenden Regelung von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) zu. Übersiedler, die bereits einen Wohnberechtigungsschein mit Dringlichkeit haben, sind davon nicht betroffen. Für Aussiedler gilt die neue Regelung nicht.
Der Senat will mit der neuen Bestimmung nach Bausenator Nagels Worten einerseits für mehr Gerechtigkeit sorgen. Andererseits sollen Bewohner Ost-Berlins und der DDR dazu bewegt werden, nicht in den Westen umzuziehen. Bei der augenblicklichen Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt, bei der nicht gewährleistet werden könne, daß jeder Inhaber eines Dringlichkeitsscheines kurz- oder mittelfristig eine Wohnung erhalte, erhalte die Vergabe der Dringlichkeit einen ganz besonderen Stellenwert, sagte Nagel.
Künftig soll der Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen mit Dringlichkeit eine umfassende und gründliche Prüfung vorausgehen. In erster Linie werden einzelne Personen keinen Anspruch mehr auf eine Dringlichkeit haben.
Ende November waren 68.550 Wohnberechtigungsscheine im Umlauf. Davon haben 30.770 oder 45 Prozent einen Dringlichkeitsvermerk. Allein im November wurden 7.769 neue Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. Einen überproportional hohen Anteil an den Dringlichkeitsfällen machen gegenwärtig Aus- und Übersiedler aus. Sie verfügten im November über 80 Prozent der Wohnberechtigungsscheine mit Dringlichkeit.
Auch die Quote der an Aus- und Übersiedler vergebenen Wohnungen hat sich inzwischen erhöht. Während es Mitte des Jahres noch durchschnittlich 22 Prozent der freiwerdenden Wohnungen waren, stieg die Quote im November auf 37 Prozent. Gleichzeitig ging nach Nagels Angaben die Fluktuation bei den Sozialwohnungen weiter zurück. Im Oktober wurden nur 1.061 Sozialwohnungen als frei angezeigt.
Diese Situation zeige, daß alteingesessene Berliner offenbar gar nicht mehr den Versuch machten umzuziehen, weil sie sich als chancenlos einschätzten, sagte Nagel. Die Unzufriedenheit mit der Wohnungssituation wachse in Berlin. Zwar gebe es keinen „ausgeprägten Sozialneid“, aber eine Umfrage vom Oktober habe gezeigt, daß 45 Prozent der Berliner ein stärkeres Engagement für soziale Gerechtigkeit erwarteten. Deshalb sei ein regulierendes Eingreifen notwendig geworden, auch wenn es nur Signalwirkung haben könne, so der Bausenator.
dpa
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