: Abwarten - bis die Zeugen sterben...
NS-Verbrecher Anton Malloth auch eineinhalb Jahre nach Rückkehr in die BRD auf freiem Fuß / Enkel von Opfer klagt gegen Staatsanwalt ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Eineinhalb Jahre nach der Rückkehr des ehemaligen SS-Mannes Anton Malloth in die Bundesrepublik hat die Staatsanwaltschaft Dortmund noch immer keine Anklage gegen den 1948 in der CSSR in Abwesenheit zum Tode verurteilten Nazi-Schergen erhoben. Darauf wies gestern in Köln der Enkel eines mutmaßlich von Malloth ermordeten jüdischen Deutschen hin. Peter Finkelgrün, der persönlich Zeugenaussagen zur Ermordung seines Großvaters für die zuständige Staatsanwaltschaft Dortmund beschaffte, wirft dieser Behörde Strafvereitelung vor.
Anton Malloth war im August 1988 in Südtirol verhaftet und in die Bundesrepublik abgeschoben worden (die taz berichtete). Malloth hatte seit Kriegsende in Italien gelebt und über das Mailänder Konsulat regelmäßig ohne Schwierigkeiten seinen deutschen Paß verlängert bekommen. In der Bundesrepublik wurde dagegen 1979 ein Verfahren gegen Malloth wegen des angeblich unbekannten Aufenthaltsortes eingestellt - vorgeworfen wurde ihm die Tötung von 103 Menschen im Konzentrationslager Theresienstadt.
Seit seiner zwangsweisen Rückkehr lebt der 1912 geborene Malloth unbehelligt in Bayern. Ein dringender Tatverdacht sei nicht gegeben, hatte der Leiter der „NRW-Zentralstelle für nationalsozialistische Massenverbrechen“, Oberstaatsanwalt Schacht, bereits damals betont. Dies ist auch heute noch der Sachstand. „So wie es jetzt aussieht, habe ich Zweifel, daß es zur Anklageerhebung kommt“, erklärte Oberstaatsanwalt Schacht gestern auf Anfrage. Die Vernehmung Malloths und die Aufarbeitung der damaligen Vorwürfe hätten „nichts erbracht“. Offen sei allein der von Peter Finkelgrün recherchierte Fall.
An der Glaubwürdigkeit des von Peter Finkelgrün in der CSSR aufgetriebenen Zeugen für die Ermordung seines Großvaters durch Malloth äußerte Schacht „erhebliche Zweifel“. Eine zweite Zeugin, deren Vernehmung durch die CSSR-Behörden bevorstehe, kenne die Vorgänge nur aus der Erzählung eines inzwischen verstorbenen KZ-Häftlings. Oberstaatsanwalt Schacht möchte nun im Januar 1990 endgültig über die Anklageerhebung entscheiden. Schacht „argumentiert wie ein klassischer Verteidiger der NS-Täter“, sagt dagegen Peter Finkelgrün.
Der Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums Wien, Simon Wiesenthal, hatte schon im Frühling diesen Jahres erklärt, die Staatsanwaltschaft „wartet, bis die Zeugen sterben“.
Finkelgrün selbst sind die Hände gebunden: Eine Nebenklageberechtigung gilt nicht für den Enkel, sein klageberechtigter Vater aber starb an den Folgen seiner Vertreibung im Ausland. Und auch ein Verfahren zur Erzwingung der Klage steht Peter Finkelgrün nicht zu.
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