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3:0 und die eigenen Gesetze

■ Werder über Stuttgart mal wieder Flutlicht-Sieger

Der Pokal, so wissen wir Fußballanhänger, hat seine eigenen Gesetze. Einige sind seit Sepp Herberger selig Volksweisheit: Der Ball ist rund. Ein Spiel dauert 90 Minuten und wenn es hochkommt 120. Auch, daß das nächste Spiel immer das schwerste ist, hat sich längst im Gehirn festgesetzt. Und natürlich: Freitags unter Flutlicht in Pokalspielen verliert Werder nie - zumindest im Wesersta

dion. Deshalb war, obwohl der Freitag auf einen Dienstag fiel, der 3:0 Sieg im Viertelfinale des DFB-Pokals keine Überraschung. Zumal der Gegner VfB Stuttgart bei den letzten Anlässen ähnlich düpiert aus dem Weserstadion schleichen mußte. Diesmal höhnten 24.000 Zuschauern.

Wirklich gültige und anerkannte Gesetze gründen tiefer. Bei Pokalspielen will das Piblikum was. Punktspiele sind bürokratische Pflicht. Beim Pokalspiel aber - Gesetz Nr.1 spielt der Fan von Anfang an mit. Wir schreien mit dem Pfiff des Schiedsrichters los und schreien den Ball von Neubarths Fuß schon nach der ersten Flanke ins Tor.

Wirklich gültige und anerkannte Gesetze sind in Fleisch und Blut und Knochen übergegangen. Kennt nicht jeder von uns den Herrn Mannschaftskapitän Votava, wie er gemächlich rechts -links schauend den Ball zu Herrn Schaaf schiebt und dieser ängstlich-verschüchtert ihn dem Herrn Reck in die Hände spielt; unter Pfiffen geht es gemächlich zu Herrn Rune, worauf dieser den

Ball zu Herrn Votava schiebt usw. usw., zu besichtigen kommenden Samstag gegen Nürnberg. Wird Pokalspiel angepfiffen, stürmt Mirko Votava zu einem Stuttgarter namens Porschner, spitzelt ihm den Ball vom Fuß, passt energisch zu Schaaf, der sprintet zu Bockenfeld, welcher flankt, Neubarth bekommt den Ball und s.o. Gesetz Nr.2: Im Pokal laufen Bälle schneller.

Wirklich gültige und anerkannte Gesetze bewegen die Köpfe. Selten in einem normalen Punktspiel benutzt ihn z.B. Uli

Borowka zu anderem als die Hände bei Fehlpässen davor zu schlagen. Auch für Günter Hermann ist der Kopf eigentlich nur zum Schütteln da, vor allem nach mißlungenen Dribblings auf das eigene Tor. Und selbst Neubarths Kopf, 192 cm hoch, dient gegnerischen Abwehrspielern vor allem als Stütze. Nur im Pokal köpft Borowka 30 m - Pässe, verlängert Hermann sogar mit dem Hinterkopf und springt Neubarth so hoch, daß er auf Torlattenhöhe springt und das 2:0 köpft. Gesetz Nr. 3: Im Pokal wird der Kopf genutzt.

Damit hätten wir's; die besonderen Gesetze des Pokals sind simpel: wenn mehr als 20.000 Spieler mit einem schnelleren Ball spielen und ihre Köpfe benutzen, sind sie unschlagbar. Genau das ist Werder im Weserstadion. Schade eigentlich nur, daß die Fans immer singen: „Wir fahren nach Berlin.“ Dort gelten ja diese Gesetze bekanntlich nicht. Berlin hat nämlich immer noch eigene Gesetze.

Dieter Mützelbur

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