„Besser gar kein Gesetz als dieses Ding“

Verabschiedetes Ausländergesetz stößt weiterhin auf Unmut im Koalitionslager / Murren bei CDU-Sozialausschüssen und der FDP / Ob Kirchen und Wohlfahrtsverbände im Wahljahr '90 dagegen angehen, ist fraglich / Selbst SPD läßt sich vielleicht noch einbinden  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

Nun ist geschehen, was einige erhofft, viele befürchtet und woran in den vergangenen Monaten immer weniger Sachkundige geglaubt hatten: Das Bundeskabinett hat gestern den heftig umstrittenen Entwurf für ein neues Ausländergesetz verabschiedet. Im Eilverfahren muß man ihn durch alle Parlamentsinstanzen jagen, damit er noch in dieser Legislaturperiode Gesetz wird.

Eilverfahren, das klingt nach Schwierigkeiten. Eilverfahren, das vergößert - zumal im Wahljahr 1990 - die Chancen für Bundesinnenminister Schäuble, seinen Entwurf als Gesetz durchzukriegen, gegen die fast einhellige Ablehnung von Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften, Basisorganisationen, gegen deutlichen Unmut im Lager der CDU-Sozialausschüsse, gegen die Unzufriedenheit der FDP und das Mißtrauen der CSU, gegen das Murren in der SPD schließlich und die massive Kritik der Grünen.

Sie alle lehnen den restriktiven Entwurf, der Ausländer eher abwehren als integrieren will, ab. Sie alle müssen sich nun noch mehr als schon bisher beeilen, gegen die Vorstellungen aus dem Hause Schäuble anzugehen. Vorausgesetzt sie wollen überhaupt weiterhin dagegen vorgehen. So klar sich dies bei den Grünen und Organisationen wie etwa amnesty international, pro asyl und anderen abzeichnet, so ungewiß schaut es im Lager der Kirchen inklusive ihrer Wohlfahrtsverbände, bei kritischeren Christdemokraten und in der FDP aus. „Besser gar kein Gesetz als dieses Ding“, so urteilt etwa ein sachkundiges Mitglied der CDU-Sozialausschüsse. Daß sich dieser Widerstand gegen den Entwurf hält, bezweifelt er allerdings: „Jetzt sind sie noch klar dagegen. Ernsthafte Konflikte mit der Regierung wird aber letztlich kaum jemand riskieren.“

Tatsächlich ist diese Entwicklung aus verschiedenen Gründen absehbar. Zunächst: Das Gesetz soll nur ein paar Monate vor der Bundestagswahl verabschiedet werden. Dies wird die Kritik der Kirchen und einem Teil der Wohlfahrtsverbände an CDU-Minister Schäuble dämpfen. Hinzu kommt, daß für den Innenminister besonders wichtig die Stellungnahmen aus den Spitzen der Kirchen und ihrem karitativen wie politischen Umfeld sind - und die werden wesentlich moderater sein als jene der engagierten aber einflußlosen Basis. Das wiederum liegt zum einen am politischen Willen, zum anderen an „diesem unheimlich geschickten Werk“, so das Mitglied der Sozialausschüsse.

In der Tat verspricht der moderat formulierte Schäuble -Entwurf auf den ersten Blick mehr Vorteile für AusländerInnen als das geltende Recht. Abschottung und Diskriminierung liegen in den zahlreichen Details dieses äußerst komplexen Gesetzes. „Bis dahin dringen jene, auf die Schäuble vielleicht hören würde, aber gar nicht vor“, meint der Christdemokrat. Ein Beispiel: In Gemeinden sozial tätige Mitglieder der „Katholischen Arbeiterbewegung“ (KAB) lehnen den Entwurf ab. Der an ihrer Spitze stehende CDU -Bundestagsabgeordnete Alfons Müller hingegen hat Schäuble Zustimmung signalisiert.

Auch an der FDP wird der Entwurf nicht scheitern. Ihr paßt zwar einiges nicht, doch schon jetzt ist allerdings absehbar, daß die Liberalen den Koalitionsfrieden deswegen nicht gefährden werden - zumal Kritik nur von dem innerparteilich wenig geliebten „Linkstrio“ Hirsch, Baum und Lüder kommt.

Offen ist, ob die Sozialdemokraten im Bundestag das Eilverfahren bremsen werden. Auch wenn sie einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben, auch wenn sie Schäubles Vorstellungen teilweise bemängeln: Ihre Ansätze ähneln denen des Innenminsters. Überdies haben sie ihm mehrfach ihre „konstruktive Zusammenarbeit“ angeboten.

Wirkliche Opposition gegen den Entwurf, das bleiben die Grünen, Teile der Wohlfahrtsverbände, kleinere politische Organisationen. Ihr nächstes Forum: eine große Bundestagsanhörung im kommenden Frühjahr.