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DDR-Umweltgruppen wollen Giftmülltransfer stoppen

■ Selbstbewußter Auftritt von DDR-Umweltschützern bei Umweltminister Töpfer / „Rückhaltlose Aufklärung“ der deutsch-deutschen Müllgeschäfte gefordert / Ist jede weitere Westmüllieferung illegal?

Bonn (taz) - Anläßlich eines Treffens mit Umweltminister Töpfer haben DDR-Umweltgruppen gestern in Bonn die Befürchtung geäußert, daß durch „unter einem grünen Deckmantel durchgeführte sogenannte Wirtschaftshilfe umweltschädliche Industriestrukturen zementiert“ würden. Im Beisein von Spitzenvertretern der bundesdeutschen Umweltverbände verlangten die DDR-Gruppen eine Beteiligung an einer deutsch-deutschen Umweltkommission.

Ein Vetreter der „Gesellschaft für Natur und Umwelt“ nannte haarsträubende Beispiele für die Umweltbelastung in der DDR. In Bitterfeld sei die Lebenserwartung um fünf bis sieben Jahre geringer als im Landesdurchschnitt. Im Elbtal liege die Sterberate in Smognächten 400 Prozent über der normalen.

Die DDR-Umweltgruppen und die Gemeinden im Umkreis der DDR -Mülldeponien hatten im Vorfeld des Treffens in Resolutionen und offenen Briefen nochmals ihre Forderungen nach Aufklärung aller deutsch-deutschen Müllgeschäfte bekräftigt. Sie vermuten, daß auch hier von Devisenkönig Schalck -Golodkowski, dessen Imperium die Abfallimporte abwickelte, Gelder umgeleitet wurden. In einem von allen großen DDR -Umweltgruppen unterzeichneten offenen Brief wird der Verdacht geäußert, daß es vor allem beim Bau und Betrieb der Sondermüllverbrennungsanlage Schöneiche „zu großen Unregelmäßigkeiten gekommen ist“. Weiter heißt es: „Haben geheime politische und wirtschaftliche Ost-West-Kontakte in Verbindung mit Korruption dazu geführt, daß die DDR westliche Giftmüllberge zu Dumpingpreisen annimmt?“

Jetzt wollen die DDR-Umweltgruppen, daß alle Müllverträge auf den Tisch kommen, um den Verbleib der in die Müllgeschäfte geflossenen öffentlichen Gelder „rückhaltlos aufzuklären“. Weiter fordern sie die sofortige Einstellung aller Lieferungen von wassergefährdenden Sonderabfällen auf DDR-Deponien. Auch den Rücktritt des Ostberliner Umweltministers Reichelt haben in einer gemeinsamen Resolution zwei Kreise und vier Gemeinden im Umfeld der Westmülldeponien Vorketzin und Schöneiche erstmals verlangt.

Mit Reichelt wird sich morgen in Ost-Berlin Umweltminister Töpfer treffen. Dabei soll, wie Töpfers Sprecher Huthmacher der taz bestätigte, auch über die deutsch-deutschen Müllgeschäfte gesprochen werden. Die sind nicht nur wegen der neuen Proteste von DDR-Bürgern brisanter denn je: Mit dem Eingeständnis von Minister Reichelt, daß das Grundwasser im Umkreis der undichten Deponien Vorketzin und Schöneiche verseucht ist, verstößt jeder weitere Giftexport auch gegen geltendes bundesdeutsches Recht. Das schreibt nämlich vor, „daß eine ordnungsgemäße Beseitigung im Empfängerland“ gewährleistet sein muß.

Zwei bundesdeutsche Bürgerinitiativen haben gestern die Beteiligung der hiesigen Umweltverbände an der „umweltpolitischen Offensive“ Töpfers gegenüber der DDR scharf kritisiert. Mit ministerlicher Reputation und Geld würden Verbandsfunktionäre für deutschlandpolitischen Ziele der Union mißbraucht, schrieb die „Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad“. Tagesthema Seite 3

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