: „Ein unerträglich rechter Schleimer“
Regierungssprecher Hans Klein, der wenig für Juden, aber viel für die Waffen-SS übrig hat, enttarnt nun eine Verschwörung „ganz linker Journalisten“ / Verbale Kraftakte womöglich aufgrund eines REP-Traumas? ■ Von Charlotte Wiedemann
Bonn (taz) - Hans „Johnny“ Klein, Regierungssprecher im Ministerrang, ist Opfer einer Verschwörung. Nun erst, Wochen nach der Polenreise des Kanzlers, hat der CSU-Mann mit Fliege enthüllt, was in Warschau wirklich geschah. Er, Johnny, redete da ganz harmlos vom „internationalen Judentum“, und dann ging es los: „Eine Gruppe von linken Journalisten hat das Ding hochgezogen und auch den Galinski hineingepreßt in diese Geschichte.“ Diese Nestbeschmutzer hatten nämlich „nichts anderes im Sinn, als den Besuch des Kanzlers da noch möglichst in Zweifel zu ziehen, möglichst Schatten darüber zu ziehen, möglichst viele Schwierigkeiten zu machen“. Und warum das? Weil die Linken natürlich wollen, „daß der Kanzler keinen Erfolg hat“.
All das ließ sich Johnny Klein in einem etwas turbulenten Interview des WDR-Magazins ZAK entlocken, und er enttarnte dabei auch den Drahtzieher jener „ganz linken“ Journalistenverschwörung: „ein ganz bestimmter Kollege“ der 'Süddeutschen Zeitung‘. Udo Bergdoll, dem außenpolitischen Korrespondenten der 'SZ‘ in Bonn, hätte man soviel konspirative Energie eigentlich nicht zugetraut: ein silberhaariger Liberaler, treuer Genscher-Anhänger, der immer das Wohl der bundesdeutschen Außenpoli tik im Auge und im Leitartikel hat.
Aber Bergdoll hat sich am Tatort Warschau eines Verbrechens schuldig gemacht, das im bundesdeutschen Journalismus leider nur selten verübt wird: Er hat, ohne diplomatischen Weichzeichner, einfach in seine Zeitung geschrieben, was Klein ihm so nebenbei gesagt hat. Daß nämlich der Reporter „wohl wenig Umgang mit Juden“ habe, weil er des Ministers Wort von der „besonderen Sensibilität des internationalen Judentums“ befremdlich fand. Vor der Bundespressekonferenz hat der Regierungssprecher nun auf Nachfrage seine Anschuldigungen gegen den 'SZ'-Kollegen samt Mittäter erneuert - und damit dem ganzen Stück zu einem Comeback verholfen. Aus der Frage, wie ein deutscher Minister über Juden reden darf, ist nun eine andere entstanden: Wie darf er über Journalisten reden?
Denn die Bundespressekonferenz ist zwar in der Regel eine staatstragende Veranstaltung, aber eben der Form nach ein Verein der Bonner Korrespondenten, mit einer gewissen Fürsorgepflicht für die Kollegen. Der Vorstand der Bundespressekonferenz berät nun, ob er mit einer Erklärung die Warschauer Nestbeschmutzer gegen Minister Klein in Schutz nehmen soll. Vorstandsmitglied Gerd Rauhaus ('Nürnberger Nachrichten‘): „Klein muß seine Vorwürfe zurücknehmen.“ Für Klaus Dreher, den Bonner Büroleiter der namentlich betroffenen 'Süddeutschen Zeitung‘, ist die Angelegenheit hingegen erledigt. Und zwar so: „Ich weiß jetzt, wo ich dran bin. Klein sieht sein Verhältnis zu den Journalisten als Kampfverhältnis, er betrachtet uns als seine Gegner, und dann betrachten wir ihn eben auch als unseren Gegner.“
Im familiären Bonn sind das unüblich barsche Worte - doch sie lassen zugleich tief blicken: als ob der Regierungssprecher nicht schon per Funktion als Gegner der Journalisten gelten müßte. Und es ließe sich ja auch anderes sagen über einen Minister, der wenig für die Juden, aber viel für die Waffen-SS übrig hat. Der Journalistentag der IGMedien sagte es kürzlich so: „Ein Regierungssprecher, der auf der einen Seite die SS als kämpfende Truppe verharmlost und auf der anderen, in der Sprache des Unmenschen, vom internationalen Judentum redet, hat jedes Recht verspielt, für ein demokratisches Gemeinwesen zu sprechen, zu dessen Grundvoraussetzungen die konsequente Absage an den Nationalsozialismus gehört.“
Der Appell, die Pressekonferenzen von Hans Klein fortan zu boykottieren, auf daß dieser abberufen werde, löste allerdings bei den gewerkschaftlich organisierten Journalisten in Bonn nur Stirnrunzeln aus: Wie das denn gehen solle? Immerhin hatte es bei der berüchtigten Polenreise genug Hauptstadtkorrespondenten gegeben, die den gesamten Konflikt um Auschwitz, den Sabbat und das Judentum als „aufgebauschtes Theater“ abtaten. Und ausgerechnet ein Helmut Kohl, der Gorbatschow mit Goebbels verglich, soll Hans Klein abberufen? Wo sich doch schon bei der Verteidigung der Waffen-SS die gesamte Regierungskoalition hinter den CSU-Mann gestellt hatte?
So sind Attribute über diesen deutschen Sprecher in Bonner Medienkreisen eher hinter vorgehaltener Hand zu haben: Der Mann reagiere mit „aggressiven Reflexen“ auf NS-Themen; er führe von der Bonner Sprecherbank aus seinen Münchner Oberbürgermeister-Wahlkampf gegen die „Republikaner“, und überhaupt sei Hans Klein „ein unerträglicher rechter Schleimer“.
Manche wünschen sich jetzt sogar seinen Vorgänger Friedhelm Ost zurück. Der hatte für die Journalistengemeinde genausowenig Informationen im Angebot wie nun Hans Klein. Und, so seufzt ein 'dpa'-Korrespondent wehmütig, „Ost war wenigstens eine ehrliche dumme Haut.“
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