: "Halbstrafe" bei Paragraph 129 a
■ Kernkraftgegener Fritz Storim nach sechs Monaten Haft frei
Zu einem Jahr ohne Bewährung hatte das Hamburger Oberlandesgericht im Januar den Physiker Fritz Storim wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ (Paragraph 129a) verurteilt. Storim sei, so die Urteilsbegründung, verantwortlich für die Dokumentation zweier Hafenstraßen -Beiträge in der Hamburger Zeitschrift „Sabot“. Da das „Sabot“ auf dem Index des Staatsschutzes stehe, wären die Artikel nicht durch die Pressefreiheit geschützt. Die Strafe wurde nach dem sogenannten „Halbstrafenerlaß“ mit Beschluß vom 29.11.1989 zur Bewährung ausgesetzt. Storim ist seit Freitag vor einer Woche wieder frei. Auf einer Veranstaltung am vergangenen Montag im Antifa-Cafe wertete er die Aussetzung des Vollzugs als politische Sensation: „Wir haben selbst nicht damit gerechnet, aber die Entscheidung zeigt, wie fragwürdig die Konstrukte der Staatsanwaltschaft sogar in den Kreisen der Justiz gehandelt werden.“
Noch während des Vollzugs, den Storim unter den Bedingungen der Isolatons-Haft absiitzen mußte, setzte die Staatsanwaltschaft in einem zweiten Ermittlungsverfahren nach: Angeblich sollte er beim Anschlag auf einen Strommast in der Nähe des KKW Brokdorf (1984! ) beteiligt gewesen sein. Grundlage der Ermittlungen ist eine geradezu abenteuerliche Konstruktion: Storim habe als Physiker die für solch einen Anschlag notwendigen Kenntnisse und habe die Bauanleitung für eben den Zeitzünder geschrieben, der bei dem Anschlag verwendet worden ist.
Auch der Haftbefehl, den es in diesem Ermittlungsverfahren bereits gegen Storim gab, ist jetzt aufgehoben worden, und zwar am gleichen Tag, an dem die der Vollzug der Haftstrafe aufgehoben wurde. Storim: „Wenn die Anklage dicht wäre, würde der Staatsanwalt den Prozeß durchziehen.“ Schleswig -Holstein mit seinem öffentlich propagierten Ausstiegsszenario wolle sich zur Zeit keine aufsehenerregende Prozeßschlappe gegen einen Kernkraftgegner leisten. Schließlich gelte es in den Reihen der regierenden SPD, den Verzicht auf die Kernkraft möglicht leise zu revidieren: Brokdorf solle weiterlaufen.
Doch mit diesen Zugeständnissen an die Unschuld Storims ist der Kernkraftgegner noch lange nicht aus dem Kriminalisierungs-Schneider. Deshalb fordern die bundesweit aktiven Solidaritätsinitiativen die sofortige Einstellung der Ermittlungen. Liegt bis Mitte Januar kein entsprechender Beschluß vor, soll es in Itzehoe, dem Sitz des zuständigen Oberlandesgerichts, eine Protestveranstaltung geben. „Nur politischer Druck kann hier eine beschleunigte Einstellung erzwingen“, formulierte ein Initiativenmitglied das Gebot der Stunde. Markus Daschne
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