Kriegsminister der Kokainmafia

Gonzalo Rodriguez Gacha starb, wie er gelebt hatte: gewaltsam / Bauernsohn, Smaragdkönig und Baron des Medellin-Kartells / Viele Morde trugen seine Handschrift  ■ P O R T R A I T

„Murio en su ley“ - er starb, wie er gelebt hatte. Gonzalo Rodriguez Gacha galt als der brutalste und skrupelloseste Kokainbaron. Schüsse und Geld lauteten seine Erfolgsrezepte, mit denen der Bauernsohn aus Pacho, einem Dorf nordwestlich der Hauptstadt Bogota, sich an die Spitze des Drogenhandels hochboxte. Sprößling einer gewalttätigen und ungerechten Gesellschaft, ging er ohne zu zucken über Leichen - und stellte sich zum Vergnügen einen Galgen auf den Innenhof eines seiner Landhäuser. Gachas Lieblingsmusik waren mexikanische Volkslieder: ein jaulender Gesang über Liebe und Eifersucht, über Rache und Tod. Zu seinen musikalischen Vorlieben mag der 42jährige „Mexikaner“ in seiner Heimat gefunden haben, in jener nur schwer erreichbaren Region Zentralkolumbiens, wo seit den sechziger Jahren die Ausbeutung von Smaragdminen einen oft obskuren Kreislauf der hohen Gewinne und der brutalen Gewalt in Gang gesetzt hat. Gacha ging bei dem Smaragdkönig Don Gilberto Molina in die Lehre - bis er Mitte der siebziger Jahre die Aussichten des Drogengeschäftes erkannte. Er wurde binnen weniger Jahre zu einem der Anführer des mächtigen Kokainkartells von Medellin. Als er zurückkehrte und sein Heimatdorf Pacho zu seinem Privatbesitz gemacht hatte, wollte er es allen zeigen. Don Gonzalo, wie ihn die Bewohner respektvoll nannten, entfesselte den Smaragdkrieg um die Vorherrschaft der Region. Anfang dieses Jahres ließ er seinen ehemaligen Lehrmeister, Don Gilberto Molina, erschießen. Doch Don Gonzalo sollte keine Zeit bleiben, die Rolle des neuen Schutzpatrons zu genießen.

Er haßte die Kommunisten. Dabei hatte sich Don Gonzalo anfangs mit den kommunistischen Guerilleros der Farc arrangieren können: Die Kämpfer sorgten für Ruhe und Ordnung in den Regionen, in denen Coca angebaut wurde, Gacha und Konsorten gingen ihrem Geschäft nach. Doch als sich die Guerilleros zu sehr auf die Seite der Kleinbauern schlugen und die Kokainbarone immer mehr zu Großgrundbesitzern wurden, zerbrach das kurzzeitige Bündnis. Zusammen mit einigen Militärs und Viehzüchtern organisierte Don Gonzalo rechtsradikale Todesschwadronen, lud ausländische Söldner zu Trainingskursen ein, verschaffte sich eine hochgerüstete Privatarmee. Hunderte von Kleinbauern, Gewerkschaftern und linken Politikern starben und sterben im Kugelhagel der Killertrupps, die lange vom Staat geduldet wurden. So gut wie bei jedem spektakuläreren Mord - an einem Justizminister, einem Zeitungsverleger, einem Präsidentschaftskandidaten - ergaben die Untersuchungen irgendeine Beteiligung des „Mexikaners“. Ein Journalist nannte ihn einmal „Verteidigungsminister des Kartells von Medellin“.

Don Gonzalo war machthungrig. Und er war reich - einer der reichsten Menschen der Welt. Ärmeren Bittstellern gegenüber war er großzügig. Nichts dürfte den Bauernsohn jedoch so geschmerzt haben, wie zu spüren, daß all seine Macht, all sein Reichtum von der althergebrachten Oberschicht nicht anerkannt wurde. Er wollte das Herrschaftssystem nicht verändern, er wollte nur an ihm teilhaben. Aus Italien importierte er mit der Venus von Botticelli bedrucktes Klopapier. Die sich kultiviert wähnende Oberschicht lachte sich halb krank. So etwas schmerzt - und es löst Haß aus. „Wenn wir (die Kokainbarone) nichts besitzen dürfen“, sagte Don Gonzalo in seinem letzten Interview, „dann wird in diesem Land keiner ein Anrecht auf irgendetwas haben.“

Ciro Krauthausen