: Das Spiel ins Aus
■ Kultur gegen Kultur: Was die faktische Aussperrung von Ost-Besuchern aus West-Theatern mit dem Bau des Historischen Museums zu tun hat
Immer mehr werden herbeiströmen aus dem Osten. Nach Berlin, nach Berlin, zu erreichen ohne einen Pfennig Valuta. Und dann? Ja dann müssen sie ins Museum, denn wo sollen sie sonst hin? Schließlich sind die restlichen Kulturinstitutionen faktisch für Ostler geschlossen: Ab Januar sollen die nämlich nach dem Willen des Finanzsenators und gegen den Widerstand der Kultursenatorin halbierte Eintrittspreise bezahlen - in Westmark, versteht sich. Kostet die Deutsche Oper ja nur noch 40 West statt 80 West und das, wo die Ostlerin demnächst sogar 200 West jährlich kriegt. Ob diese Regelung jetzt schon vom Senat abgesegnet oder vielmehr schon wieder vom Tisch ist, darüber streiten sich zwar die Sprecher der beiden Verwaltungen noch - egal, irgendeine Lösung wird es demnächst geben müssen. Und die fehlenden Westmark in den hiesigen Kulturkassen muß auf jeden Fall der Bund bezahlen, und ohne den Wirt Helmut Kohl kann da Walter Momper offenbar rechnen, so viel er will.
Und so mag Kohls Rechnung gehen: Erstmal wird der Ostler kulturell auf Diät gesetzt. Das hat zwei Effekte: Erstens kann Kohl das hier Gesparte schon mal in sein Museumsschweinderl werfen - 400 Millionen müssen es schließlich mindestens werden, da sollen die eben den Gürtel mal enger schnallen. Ja, und wenn Kohl seine Millionen zusammen hat, dann ist der Ostler auch so weit. Dann ist der völlig ausgehungert, dann frißt der alles und geht freiwillig ins Kohlsche Museum. Und so ist doch allen gedient: dem dürren Ostler und dem dicken Kohl.
Gerade jetzt angesichts all dieser strömenden Massen bräuchten wir diese gigantischen Räume, die das Deutsche Historische Museum in der für den Bau am Spreebogen vorgesehenen Architektur Aldo Rossis zur Verfügung stellen würde, um dem Konsumbedürfnis Rechnung zu tragen. „Da gibt‘ s eine Cafeteria, da gibt's alles mögliche“, schwärmte DHM -Direktor Christoph Stölzl dann auch am Sonntag bei einer Veranstaltung zum deutsch-deutschen Kulturaustausch. „Große Häuser sind nicht chauvinistisch, sie sind ganz einfach praktisch.“
Im übrigen wird das sowieso ein Heimatmuseum für die DDR, soll das DHM doch nach dem Wunsch von CDU-Kultursprecher Uwe Lehmann-Brauns jetzt auch in der Zone sammeln gehen. DHM hat Geld, viel Geld, DDR hat Waren, viel Waren. Hei, gibt das ein Wiedersehen mit dem Ost-Gut im West-Museum! Oh welch ein wunderbarer Kulturaustausch. „Die DDR wird sich an unserer Bismarck-Ausstellung im nächsten Jahr beteiligen!“ verkündete Stölzl. Und wahrlich: Sie darf tatsächlich nicht mitreden, sondern leihgeben.
Sie finden das absurd, Kultur gegen Kultur auszuspielen? Jemandem ein 400-Millionen-Projekt aufzudrängen, obwohl der doch nur ein paar hunderttausend D-Mark braucht, die er dann noch nicht mal kriegt? Sie finden diese Faustpfänderspiele kindisch? Sie finden überhaupt auch kniende Bürgermeister irgendwie lächerlich - aber meine Damen und Herren, so geht das nun mal im Schmierentheater. Und im Theater, da sind und bleiben wir ja unter uns.
Gabriele Riedle
(Zum Deutsch-Deutschen Kulturaustausch siehe auch Bericht S. 21)
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