: Eine Schande-betr.: "Ruhe im Knast dank Psychopharmaka", taz vom 8.12.89
betr.: „Ruhe im Knast dank Psychopharmaka“, taz vom 8.12.89
„Leponex“ wurde vom Bundesgesundheitsamt zum 31.12.78 aus dem Handel gezogen und zum allgemeinen Gebrauch verboten. Für „Psychiatrisierte“, „Verwahrte“, Eingesperrte trifft dies allerdings nicht zu. Ich zitiere aus Wahnsinn von Uwe Heitkamp, der auf seine Anfrage eine knappe Stellungnahme der Herstellerfirma Wander Pharma bekam: „In Abstimmung mit namhaften Psychiatern und Experten des BGA wird Leponex trotz der bestehenden Risiken weiterhin für besondere Fälle zur Verfügung gestellt, bei denen mit anderen Mitteln bislang keine befriedigende Behandlung möglich ist.“
Es gibt selbst für Medikamente, die offiziell als nachweislich gefährlich, sprich tödlich (weniger reicht eh nicht aus) eingestuft werden, immer noch eine Nische, in der sich unauffällig Profit machen läßt. (...)
Wander-Pharma bemerkt in einem Warnaufruf: „Die Weiterbehandlung mit Leponex bedarf der Aufklärung und schriftlichen Einwilligung des Patienten, soweit dieser in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einzusehen.“
Überall dort also, wo ÄrztInnen oder andere HandlangerInnen der Pharmaindustrie einem Menschen die Fähigkeit zur „Einsicht“ absprechen können, kann es „eingesetzt“, kann es umgesetzt werden. Nichts ist tödlich genug, als daß nicht daran verdient werden könnte.
Viola Holler, Hamburg
Zwangspsychiatrie ist eine der schlimmsten Formen des staatlich geförderten Terrors. Dieser Terror ist genauso grausam und unsinnig wie rein privater Terror und ist für jeden demokratischen Staat eine Schande.
Amerikanische Untersuchungen zeigen auch, daß sehr viele Gewalttäter psychiatriegeschädigt sind. Woher kommt denn die Gefahr, daß ein Häftling sich selbst oder andere lebensbedrohlich gefährdet? Es ist vor allem die fehlende Resozialisierung. Selbst wenn es gelänge, die CSU zu überzeugen und eine ExpertInnenkommission einzusetzen, so müßte man aufpassen, daß da nicht wieder PsychiaterInnen drinsitzen. Denen würde ja doch nur wieder die chemische Keule einfallen, geradeso als wüßte niemand, wie man Resozialisierung tatsächlich mit gutem Erfolg erreichen kann.
Ph.Sonntag, Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen die Menschenrechte, Berlin
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