: Zieht Euch kalt an!
Die Weihnachtsbotschaft des künftigen Bundestrainers ■ PRESS-SCHLAG
Seit der Deutsche Fußballbund (DFB) sich vor kurzem endgültig darauf festgelegt hat, eine gewissen Berti Vogts zum Nachfolger des Bundeskaisers Beckenbauer zu küren, fragt sich natürlich alle Welt: Wer ist dieser Mann? Was will er? Was kann er? Warum?
Nun gut, einige ältere Mitbürger werden sich noch erinnern an den kleinen drahtigen Mann, der - die Füße stets voran lange Jahre über Fußballplätze glitschte und dabei ein in etwa ausgeglichenes Verhältnis von Ball- und Schienbeinkontakten zustandebrachte. Sein größter Tag war zweifellos das WM-Finale von 1974, als er gegen den genialen Niederländer Johan Cruyff anzutreten hatte, wie man so schön sagt. Cruyff war bekannt als ein sehr vorsichtiger Fußballer. Schon in früher Jugend beherrschte er den eleganten Hüpfer über gierig ausgegrätschte Gegnerbeine in Perfektion, später in Spanien verließ er, wenn es gegen Teams ging, die er übermäßiger Grobheit verdächtigte, oft gar nicht erst die eigene Hälfte. In einem WM-Finale geht so etwas natürlich nicht, gelegentliche schmerzhafte Zusammentreffen mit Berti Vogts waren die Folge. Der ließ sich auch von einer gelben Karte nicht stören, trat unbeirrt weiter nach Cruyff, bis dieser schmollte, nicht mehr recht mitspielen mochte und seinen unerbittlichen Peiniger in Gottes Namen Weltmeister werden ließ.
So viel zum Fußballer Berti. Der Privatmann Vogts erregte vor allem Aufsehen durch eine tiefe Liebe zu seinem Dackel, tumbe Bemerkungen zur argentinischen Militärdiktatur und eine unsinnige Sympathie für eine unsympathische konservative Partei. Als er es zum Kapitän von Borussia Mönchengladbach gebracht hatte, war er an den Fernsehabenden im Trainingslager für die reaktionären Sprüche zur Tagesschau zuständig.
Nach Beendigung seiner Spielerkarriere ging Berti Vogts als Jugendtrainer zum DFB und es wurde still um ihn. Das Interesse erwachte erst wieder, als er nun zum Bundestrainer designiert wurde. Er habe sich geändert, hieß es, der eiserne Verteidiger sei heute ein Apologet des Offensivfußballs, ein gewiefter Taktiker, und mit der CDU sei er auch nicht mehr so dick. Genaues weiß jedoch niemand, und so warten alle darauf, daß er endlich den Mund auftun und sein Inneres nach außen kehren möge. Gebannt hängt das Fußballvolk an seinen Lippen, bereit jede Äußerung zu drehen, zu wenden, zu deuten und daraus die Zukunft des deutschen Fußballs zu interpolieren.
So auch, als Vogts nach dem Pokalhalbfinale Werder Bremen VfB Stuttgart (3:0) vergangene Woche sozusagen seine Weihnachtsbotschaft an die Nation verkündete. Da gab er einen Satz von sich, der vermuten läßt, daß er sich gar zu sehr wohl nicht geändert hat. „Die waren ja gar nicht auf Kampf eingestellt“, maßregelte er den VfB, „das sah man bereits beim Auflaufen.“ Und was hatte er gesehen, zu Hause in seinem bequemen Fernsehsessel? Handschuhe und Strumpfhosen. Diese hatten sich die braven Schwaben zwecks Kälteabwehr übergezogen. Die Bremer hingegen stürmten mit bloßer Faust und blassem Oberschenkel aufs Spielfeld, für Vogts der eindeutige Schlüssel zum Sieg.
Bittere Zeiten brechen herein für die hiesigen Ball- und Knochentreter und für die fußballernden Völker der Welt. Auslandstransfers von Bundesligakickern werden nur noch nach Grönland genehmigt und zukünftige Gegner werden sich entsprechend anziehen müssen, wenn die unerschrockenen und hartgesottenen Recken des grimmen Vogts etwa blankbrüstig und barfüßig über die winterlichen Faröer-Inseln fegen und nach dem unvermeidlichen Triumph gegen die feige in wärmendes Tuch gehüllten Kicker aus dem Lande des neuen FIFA -Mitgliedes aus lauter Übermut ins Eismeer hüpfen. Und wie werden erst den Zuschauern bei der WM 1994 die Augen übergehen, wenn die bundesdeutsche Mannschaft im sonnigen Kalifornien oder in der Wüste von Nevada, in Pelzmäntel gehüllt und von Waschbärfellmützen gekrönt, zartbesaitete Fußballer aus Kamerun oder Trinidad/Tobago in die Geheimnisse des Vogtsschen Kampfgeistes einführt. Gelobt sei, was hart macht, und was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker, der gute alte Terrier in Reinkultur.
Matti
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