piwik no script img

Das Eine tun und das Andere (nicht) lassen

■ taz-Streitgespräch über Konzepte zur praktischen Namibia-Solidarität / Auslöser war taz-Bericht über „EVV“

„Afrika -Hilfe nicht akzeptabel“ hatte die taz am 17. 11 einen Artikel getitelt, in dem der Autor Rainer Kahrs der bremischen Organisation „Entwicklungshilfe von Volk zu Volk (EVV)“ anhand konkreter Beispiele nachzuweisen versuchte, daß sie einem überholten entwicklungspolitischen Verständnis nachhänge und ihre praktische Unterstützungsarbeit im Falle Namibia unglaubwürdig sei. Die überwiegend mißbilligende Kritik, die uns nach der Veröffentlichung des Berichts erreichte, hat uns zu einem Streitgespräch zwischen EVV (vertreten durch Harald Schütt und Karin Liebaug) und Rainer Kahrs veranlaßt. Die Moderation der Diskussion um das Für und Wider praktischer Solidaritätsarbeit übernahmen die Namibia-Kennerin und Journalistin Gaby Mayr und Andreas Hoetzel für die taz-Redaktion.

taz:Rainer Kahrs schreibt: „Vollends läuft die EVV Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn sie mit der Daimler -Benz-Führung um einen 300.000 Marks-Auftrag für Unimog -Ersatzteile feilscht und sogar eine Druckerei für die SWAPO über den von Südafrika besetzten Hafen Walvis Bay vor Namibia transportiert.“ EVV sagt, es gibt keine andere Möglichkeit.Rainer, gibt es eine sinnvolle Alternative?

Rainer Kahrs: Es gibt andere Möglichkeiten zu transportieren. Ob es eine andere Möglichkeit gibt, die Druckerei einfach nach

Windhuk zu bringen, das weiß ich nicht. Es gibt den Weg über Luanda, es gibt mittlerweile auch die Möglichkeit über den Hafen Namile, der ist unmittelbar an der Grenze zu Angola. Und es gibt die Luftfracht. Walvis Bay ist ein von Südafrika besetzter Hafen, der immer wieder auch militärisch genutzt wird. Die UN sagt, über Walvis Bay wickeln wir keine Transporte ab. Aber es gibt auch die Aussage von einem SWAPO -Mitarbeiter, der gesagt hat, in Notfällen ja. Und deshalb die Frage, ist die Druckerei ein Notfall, ist sie angekommen?

Harald Schütt:Wir hatten versucht, zuallererst aus Kostengründen, diese Druckerei über die UNO zu finanzieren. Bis wir von einer Vereinbarung zwischen der südafrikanischen Regierung einerseits und der UNO andererseits erfahren haben, die es dem zuständigen UNO-Kommissariat für Flüchtlingsfragen (UNHCR) verbietet, Waren, die der SWAPO noch nicht seit langem gehören, über das Repatriierungs -Programm zu transportieren. Uns ist trotz intensivster Anstrengung von der UNO der Transport nach Windhuk abgelehnt worden. Du hast vorher gesagt Luftfracht. Die Tonne Luftfracht kostet so an die 7000 Mark, ein horrender Preis, den wir absolut nicht hätten zahlen können.

Gaby Mayr: Man muß doch sehen, daß Südafrika und seine frühere Kolonie Namibia die Gebiete sind, durch die transportiert wird. Und das betrifft nicht nur EVV.

Das ist ja ein Winzverein, wenn man sich beispielsweise Zimbabwe anguckt, das 80 Prozent seines Handels über südafrikanische Häfen abwickelt, weil es dazu keine anderen akzeptablen Alternativen gibt. Selbst ein ganzes Land ist im Moment damit überfordert, die Anti-Apartheitpolitik konsequent anzuwenden.

Rainer: Meine Position ist die, wenn ne Sache teurer ist, aber man kann Walvis Bay damit umgehen, dann ist die teurere Sache die bessere. Der SWAPO-Vertreter hat selbst gesagt, bitte nur in Notfällen über Walvis Bay. Aber meine Frage noch mal: Ist die Druckerei angekommen?

Karin Liebaug: Die Druckerei ist angekommen und wir haben da eine Woche in Windhuk dran gearbeitet und genaue Erfahrungen gesammelt, wie das mit den Häfen aussieht. Es gibt einfach keine Alternative im Moment. Für uns war das Allerwichtigste'und das sagt auch die SWAPO, daß die Druckerei ankommt, in dem Land zur Verfügung steht.

Rainer: Meine Kritik geht dahin, wenn EVV der Schuh so groß ist, daß ihr gezwungen seid, über Walvis Bay zu transportieren, dann überlaßt es anderen Organsiationen, denen der Schuh nicht zu groß ist. Die es möglicherweise über Luftfracht oder sonstige Wege transportieren.

taz: Zweiter Punkt. Mercedes-Benz-LKW's. Rainer sagt, EVV verliert an dem Punkt ihre Glaubwürdigkeit, wo sie mit Mercedes-Benz um 300.000 Mark verhan

deln. Ihr sagt in diesem Fall, entscheidend ist nicht, ob ich mit Mercedes-Benz oder jemand anderem verhandele, sondern daß die zehn LKW's, die in Angola stehen, zum Laufen gebracht werden und damit Flüchtlinge transportiert werden können.

Harald: Und Material vor allem. Die UNO hat ja 200 Millionen Dollar für Lufttransporte zur Verfügung gestellt, und damit haben sie die Leute, aber auch nur mit Handgepäck transportiert. Aber was ist eine Organisation ohne ihre Schreibmaschinen und ihre Werkzeugkisten, ohne ihre Ausrüstung. Und deswegen war schon im letzten Jahr die Notwendigkeit, jedes Kilo Öl, jedes Kilo Reis per LKW zu transportieren.

Rainer: Oder über Luftfracht.

Harald: Aber nicht nach Cuanza Sul. Deswegen haben die da allerhöchste Dringlichkeit für die Reparatur der LKW's.

Rainer: Die LKW's wolltet ihr aber zum Flüchtlingstransport haben.

taz: Zwischenfrage: Von wo nach wo sollen die Flüchtlinge transportiert werden?

Harald: Also die Rückführung gemäß der Resolution 435 sieht die Heimkehr der namibischen Flüchtlinge aus aller Welt vor. Aber der Hauptteil lebt eben in Angola und Cuanza Sul ist das größste Flüchtlingslager.

taz: Rainer, wenn es dir nicht darum geht, grundsätzlich jede Form von Kontakt mit Daimler abzulehnen, worum geht es dann?

Rainer: Einmal die generelle Ar

gumentation: es wird immer gesagt, es geht nicht anders, ist praktisch nicht sinnvoll. Da ist die Frage, wie ist das kontrollierbar. Zu den konkreten Ersatzteilen von Daimler: ich weiß vom UNHCR, daß die die gesamten Flüchtlinge repatriiert haben über die Luftbrücke. Wenn da jetzt noch mehr transportiert werden muß, dann fände ich es eben ganz sinnvoll, das wiederum solchen Organisationen zu überlassen, die die Infrastruktur dafür haben.

Harald: Und wir bekommen die Telegramme vom Werkstattleiter, wo bleiben meine Ersatzteile. Wenn man mal in Afrika war und weiß, was ein LKW dort bedeutet und wie die Leute in Cuanza Sul leben, was sie sich in zwanzig Jahren so ein bißchen Hausrat gesammelt haben, dann ist dieser Zynismus, die Frage des Transports davon abhängig zu machen, ob Daimler oder nicht, kaum zu ertragen.

Rainer: Ich habe doch nichts dagegen, daß die transportiert werden und daß sie dabei Kochtopf und Schreibmaschine mitnehmen können. Aber ich glaube nicht, daß es der richtige Weg ist, mit Ersatzteilen diese paar LKW's flottzumachen, das hat der UNHCR zu übernehmen.

taz: Rainer, Du sagst, die meisten Entwicklungshilfeorganisationen würden heute lieber Anlagen liefern, auf denen das Werkzeug selbst hergestellt werden kann. Kann man auch kurzfristige Hilfe leisten, ohne die eigene weiße Weste zu beschmutzen?

Rainer: Es ist ja so, daß EVV das ursprünglich dem ANC angeboten hat und der ANC hat gesagt, laßt uns in Ruhe mit Hacken und Spaten. Was wir brauchen sind landwirtschaftliche Technologien, damit meinten sie Traktoren. Mit den mechanischen Instrumenten wird man langfristig den Hunger nicht beseitigen können, mittelfristig kann man in den kleinen parzellierten Projekten Subsistenzwirtschaft machen, aber strukturelle Probleme der Unterversorgung sind damit nicht aus der Welt zu schaffen.

Harald: Die Hacken und Spaten waren dazu gedacht, ein Nahrungsmittelprogramm in Cuanza Sul zu unterstützen. Die SWAPO hat dort ein Gesundheitsprogramm eingeleitet, um die Leute dazu zu bringen, eine größere Vielfalt in der Ernährung einzuführen. Und deshalb haben sie den 8.000 oder 10.000 in Cuanza Sul geraten, sich einen eigenen Garten anzulegen. Das aber geht ohne Hacken und Spaten nicht.

Gaby: Man sollte ja tatsächlich auch von hier aus kontrollieren, denn es gibt in diesem Bereich eine unheilige Allianz zwischen hiesigen Entwicklungshilfeorganisationen und dortigen Eliten, das können auch linke Eliten sein. Es wird dann eine bestimmte Politik eingefordert, die eine Klassenspaltung entlang der Geschlechter ergibt. Auf den Traktoren, die dort eingesetzt werden, sitzen die Männer drauf und die Frauen machen nach wie vor die Feldarbeit mit den Hacken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen