: Soweto in Kreuzberg
■ Gesamtschule taufte sich nach ermordetem schwarzen Schüler Hector Petersen / Seine Mutter und Schwester kamen aus Südafrika nach Berlin
Die 20 Schüler rutschen unruhig auf ihren Stühlen hin und her. „Wenn sie nicht gleich kommen, gehe ich“, kündigt einer aus der Runde der Siebzehnjährigen an. Aber er meint es nicht ernst, denn wie alle anderen ist er neugierig auf die Mutter und Schwester von Hector Petersen, dessen Namen ihre bislang namenlose Schule seit gestern offiziell trägt. Hector Petersen ist ein 13jähriger schwarzer Junge aus Soweto, der 1976 bei einem Schüleraufstand gegen Apartheid von der Polizei erschossen worden ist. Um der Namensgebung am Tempelhofer Ufer beizuwohnen, sind seine Mutter und Schwester nun Tausende von Kilometern weit ins - für sie exotische - Kreuzberg gereist.
Egon Erwin Kisch, Erwin Beck und Freda Wüsthoff waren als Namensgeber auch im Gespräch - aber dann entschieden sich alle für den ermordeten Schüler aus Soweto. Seit heute steht Hectors Name über dem Schultor. Der Schwarze war damals 13 Jahre alt. Weil er selber noch Schüler war, entschieden sich Eltern und Schüler am Tempelhofer Ufer für den Namen von Hector. Und natürlich, weil er „Symbol im Kampf gegen den Rassismus“ ist. Bisher war die einzige in Berlin nach einer Schülerin benannte Schule die Anne-Frank-Schule im Bezirk Tiergarten.
Daß in Kreuzberg etwas über die Situation und den damaligen Schüleraufstand im 9.000 Kilometer entfernten Soweto bekannt ist, „verwundert“ Hectors Schwester Antoinette Toto Mmusi. „Aber wir sind stolz darauf“, sagt die 30jährige. Überhaupt weiß man wenig über einander: Die Kreuzberger Schüler wollen wissen, ob es für schwarze Schüler in Südafrika genug Schulen gibt und ob sie die gleichen Chancen haben wie die Schüler mit weißer Hautfarbe. Antoinette antwortet, daß es zwar genügend Schulen gäbe, 60 bis 70 Kinder seien aber in einer Klasse. Wenn einer gut genug sei, könne er auch studieren. Am Schulgeld mangele es dann aber. Das teure Studium könnten sich fast nur die Weißen leisten.
„Feiern Sie auch Weihnachten?“ fragt Petra. „Ja, wir richten unsere Häuser schön her und feiern“, antwortet Hectors Mutter Dorothy Montoa Moleri, „wir haben jetzt aber 28 Grad im Schatten.“ „Haben Sie schon einmal Schnee gesehen“, will Petra genau wissen. Die 46jährige Dorothy hat zweimal. Einmal 1963 und dann wieder 19 Jahre später. An 1963 kann sie sich noch gut erinnern, weil es Hectors Geburtsjahr war. Und Steffen interessiert, ob Schwarze und Weiße heiraten dürfen. Es sei zwar nicht verboten, aber äußerst selten, erzählt Hectors Mutter, „das sind die Folgen der Apartheid“. Lehrerin Angela Schrickel entdeckt Parallelen zu hier: „Hochzeiten zwischen Türken und Deutschen sind auch äußerst selten“, und erzählt den Gästen vom alltäglichen Rassismus bei uns.
diak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen