Litauens KP koppelt sich von der KPdSU ab

■ Beschluß des Parteitags mit großer Mehrheit gefaßt / Partnerschaft statt Unterordnung / Ligatschow: Sie wissen gar nicht, was sie anrichten

Moskau (ap) - Die Kommunistische Partei Litauens hat sich von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion organisatorisch getrennt. Mit 855 gegen 162 Stimmen nahm der Landesparteitag in Wilna eine Resolution an, in der die KP Litauens zur selbständigen politischen Organisation erklärt und als gleichberechtigter Partner der KPdSU bezeichnet wird.

Die Abstimmung erfolgte nach zweitägiger heftiger Debatte namentlich. Die Gegenstimmen kamen zumeist von russischen und polnischen Delegierten. Die slawischen Minderheiten machen an die zwanzig Prozent der Bevölkerung der Litauischen Sowjetrepublik aus.

Als Hauptziele der litauischen KP werden ein „unabhängiger und demokratischer litauischer Staat“, die Verwirklichung der Ideale eines menschlichen Sozialismus, Freiheit und soziale Gerechtigkeit sowie die Schaffung akzeptabler Lebensbedingungen für das litauische Volk und alle anderen Bewohner Litauens genannt. Die Kommunisten Litauens wollten sowohl mit der KPdSU als auch mit anderen fortschrittlichen Parteien, Organisationen und Bewegungen partnerschaftliche Beziehungen unterhalten.

Vor dem Parteitag hatte KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow die litauische KP vor der Abspaltung gewarnt mit dem Argument, dies würde seiner Reformpolitik schaden. Der als konservativer Widersacher Gorbatschows im KPdSU -Politbüro geltende ZK-Sekretär Jegor Ligatschow kommentierte den Parteitagsbeschluß vor Journalisten in Moskau mit den Worten, die Litauer wüßten noch gar nicht, was damit Schlimmes angerichtet worden sei.

Der Parteitagsbeschluß wird im Zusammenhang mit den für 24. Februar in Litauen angesetzten Regionalwahlen gesehen, bei denen die KP mit der Volksfrontbewegung Sajudis konkurrieren muß. Sajudis-Aktivisten erklärten, sie rechneten damit, daß die KPs Lettlands und Estlands sowie Armeniens und Georgiens diesem Beispiel bald folgten. Zumindest für Estland bestätigt dies im nebenstehenden taz-Gespräch der KP -Sekretär für Ideologiefragen im Stadtkomitee der Kommunistischen Partei in Tallinn: „Die Entscheidung in Litauen wird hier für mächtigen Auftrieb sorgen.“ Er glaubt, daß durch eine Abkoppelung der KPs in den Republiken von der Zentralpartei die Nationalitätenfrage entschärft wird.