: ... und in den USA? Exxons schmutziger Maulkorb
■ Wie der Exxon-Konzern versuchte, die Berichterstattung über die Ölkatastrophe in Alaska zu behindern
Als am frühen Morgen des 24.März 1989 der Öltanker Exxon Valdez auf einem unterseeischen Riff auflief, ergossen sich mehr als 40 Millionen Liter Rohöl in den Prinz-William -Sund, die in der Folge alles Leben im Meer und an den Küsten getötet und die Lebensgrundlage der Menschen von Valdez in Alaska zerstört haben. Im September zog Exxon sich dann völlig aus Alaska zurück und überließ die Aufräum- und Säuberungsarbeiten dem Staat.
„Aller Wahrscheinlichkeit nach war die Tragödie Folge menschlichen Versagens“, so kann man es in einem Exxon -Bericht an die Aktionäre des Unternehmens lesen. „Was grundsätzlich aus dem Fall Exxon Valdez gelernt werden kann - und nie mehr vergessen werden sollte - ist die Tatsache, daß kein Geschäft völlig risikolos sein kann, sobald der Faktor Mensch eine Rolle spielt.“ Wenngleich der Bericht auch eine Reihe von natürlichen und bürokratischen Hindernissen aufzählt, betont er jedoch, „daß Exxon sofort versucht hat, die Folgen des Öllecks zu lindern...“.
Noch schneller jedoch erfolgten Exxons Versuche, die Konsequenzen des Lecks für sein öffentliches Image möglichst gering zu halten - was allerdings nur teilweise gelang. Zum Beispiel bot Exxon dem Öffentlichen Rundfunk Alaskas (Alascan Public Radio Network) einen Betrag von 32.400 Dollar als Beihilfe zu den Extrakosten an, die dem Rundfunk entstanden waren durch die Betreibung von Valdez‘ neuestem Industriezweig: Pressekonferenzen und neueste Nachrichten von der Ölkatastrophe. Anfänglich war der Sender geneigt, das Angebot anzunehmen. Als sich jedoch herausstellte, daß der in Washington ansässige Dachverband (National Public Radio) sich hieraufhin weigerte, jedweden von Alaska aus produzierten Report zu übernehmen, schlug der Öffentliche Rundfunk Alaskas das Angebot von Exxon schließlich doch lieber aus.
An anderer Stelle agierte Exxon mit mehr Vorsicht. Eine vom Unternehmen abhängige Gesellschaft gab dem Chefredakteur der Tageszeitung von Valdez einen besser bezahlten Job.
Exxon selbst bot Pat Lynn, dem Pächter von KVAK, dem kommerziellen Rundfunksender von Valdez, einen Arbeitsplatz bei sich an; er sollte seine „Stimme für Ton- und Videobänder zur Verfügung stellen, deren Aufgabe Ausbildungs - und andere Angelegenheiten“ seien. Lynn lehnte ab.
Der erste Vertrag, den Exxon mit der sogenannten Moskito -Flotte - den regionalen Besitzern kleiner Schiffe - für die Säuberungsaktion schloß, beinhaltete für die Beteiligten auch ein Verbot, den Medien irgendwelche Auskünfte zu geben. Exxon dementierte, daß es jemals einen Maulkorberlaß herausgegeben habe. Gerüchte besagten daraufhin, daß dies in der Tat von Veco ausgegangen sei; Veco ist das von Exxon mit der Anstellung von Säuberungskräften beauftragte Subunternehmen, das selbst übrigens ausschließlich nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitskräfte beschäftigt.
Pat Lynn konnte eine andere Geschichte, die hier die Runde machte, nicht bestätigen. Es hieß, daß einige Leute, die unmittelbar nach Säuberungsarbeiten ein Fernsehinterview gegeben hatten, sofort von einem Veco-Angestellten entlassen worden seien. Lynn bezweifelt, daß ein Maulkorb die Leute von Alaska zum Schweigen bringen könnte. Aber selbst wenn solche Geschichten nicht stimmen, werden sie den erwünschten Erfolg zeitigen. Die Säuberungsarbeiten sind die letzten Arbeitsplätze, die nach der Katastrophe übriggeblieben sind. Wer seinen Job nicht verlieren will, hält den Mund.
Nan Levinson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen