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Scharf auf ungehobene Schätze

■ Engere Zusammenarbeit zwischen Ost- und Westfernsehen / Feindsender versöhnt sich mit DDR / RTL-Plus will über Ostberliner Fernsehturm abstrahlen

Nun scheint der Weg leichter zu sein“, sagt der ARD -Programmdirektor Schwarzkopf mit Blick auf die Entwicklungen in der DDR, nachdem das schon länger geplante Projekt endlich Gestalt annimmt: Die Verfilmung von Schillers Leben in Koproduktion mit der DDR. Der zweiteilige Fernsehfilm soll entsprechend dem Wirken des Dichters in Württemberg und Thüringen gedreht werden. Die Bahn für die Verhandlungen, die bisher wegen der unterschiedlichen Auffassungen über Schillers Rolle in der französischen Revolution stagnierten, ist nun frei. Verhandelt wird in den kommenden Wochen. Doch Schwarzkopf hat noch mehr unter Dach und Fach gebracht: In der DDR herrsche großes Interesse an Volksmusik, so der Programmchef. Nach dem enormen Erfolg des „Musikantenstadls“ live aus Cottbus soll sich auch weiterhin die großdeutsche Wiedervereinigung auf Millionen Bildschirmen vollziehen. Auf die Kitzbühler Dirndln, Tanz und Schuhplattlergruppen und staatliche Folklore-Ensembles zur besten Sendezeit dürfen wir uns freuen.

Ein breites Feld der Gemeinsamkeit eröffne sich auch bei den geplanten Sportbegegnungen. Dabei sei auch eine technische Zusammenarbeit wünschenswert. Die DDR sei für entsprechende Verhandlungen sehr aufgeschlossen, meinte Schwarzkopf.

Scharf auf die ungehobenen Schätze des DDR-Fernsehens (O -Ton) ist auch WDR-Intendant Nowottny. Gemeinsam mit dem Generalintendanten des DDR-Fernsehens, Bentzien, vereinbarte er im alten Jahr in Köln eine engere Zusammenarbeit der beiden Fernsehanstalten. Nicht nur über den gegenseitigen Ankauf von Spielfilmen und Serien, sondern auch über den ersten deutsch-deutschen Tatort konnten sich die beiden einigen. Fernsehfahnder Schimanski habe bereits seine Hilfe angeboten. Besonders das Satellitenprogramm Eins Plus soll mit Beiträgen aus der DDR-Produktion bereichert werden. Für die Sparten Fernsehspiel, Unterhaltung, Bildung und Wissenschaft sowie Musik und Sport gibt es in Zukunft gemeinsame Arbeitsgruppen. Neben der Planung gemeinsamer Familienserien verkündete Bentzien ein weiteres Novum: Das Fernsehen der DDR werde schon bald Werbung für westdeutsche Markenartikel ausstrahlen, um Devisen für die Ankäufe von westdeutschen Fernsehproduktionen zu erwirtschaften. Das Werbefernsehen soll von einer „westlichen Firma“ produziert werden. Bei den kommenden Volkskammerwahlen will der WDR, als federführende ARD-Anstalt für DDR-Berichterstattung, eng mit dem DDR-Fernsehen kooperieren.

ZDF-Intendant Stolte ging noch weiter. Er schlug dem DDR -Fernsehen vor, die Hochrechnungen des Wahlergebnisses gemeinsam mit der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim vorzunehmen. Außerdem vereinbarte er mit Generalintendant Bentzien, Live-Sendungen aus aktuellem, politischem oder kulturellem Anlaß gemeinsam auszustrahlen. Die bilaterale Zusammenarbeit gilt ebenso für das Satellitenprogramm 3sat und Koproduktionen im Serienbereich.

Auch der Deutschlandfunk in Köln wird seine Präsenz in der DDR deutlich verstärken. DLF-Intendant Gruber kündigte an, daß sein Sender schon in diesem Jahr Konzerte, Diskussionsabende und Live-Sendungen in der DDR durchführen werde. Zudem erhielt Gruber die Zusage, daß für den jahrzehntelang als Feindsender betrachteten - DLF vier Korrespondenten permanent aus der DDR berichten dürfen. Die Belegschaft des Hauses hat jedoch ihre Probleme damit. Die Korrespondenten für Ost-Berlin, Leipzig, Dresden und Rostock werden aus der laufenden Programmarbeit in Köln einfach abgezogen, ohne daß Ersatz in Aussicht ist. Nicht nur die schon bestehende Überlastung durch die Programmreform nimmt beim DLF zu, sondern auch die Spannungen zwischen dem Personalrat und der Intendanz. Gruber war zu einer angesetzten außerordentlichen Personalversammlung nicht erschienen. Jetzt läuft die Verständigung über den gerichtlichen Weg.

Der Kölner Privatsender RTL-Plus will sein Programm über den Fernsehturm in Ost-Berlin ausstrahlen. Darüber führe der Sender schon seit langem Gespräche mit der DDR, ließ Programmdirektor Thoma verlauten. Thoma kündigte außerdem noch eine weitere „DDR-bezogene Aktivität“ an. In Berlin kann RTL-Plus bislang nur über Kabel empfangen werden, da die einzige freie Frequenz an SAT1 ging. Nach den Vorstellungen des Herrn Thoma soll der Berliner Kabelrat eine freie Frequenz von der DDR anmieten und dem Privatsender dann zuteilen.

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