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Hongkong: Osteuropa als Hoffnung für China

Zur Jahreswende die größten Demonstrationen seit Juni: Beschwörende Sympathiekundgebungen für die Entwicklung in Osteuropa / Peking will nach 1997 keine bürgerlichen Grundrechte dulden / Deutliche Drohungen gegen „subversive Kräfte“ in der Kolonie  ■  Aus Hongkong Jutta Lietsch

Die Besorgnis der chinesischen Regierung über die Entwicklung in Osteuropa hat zum Ende des Jahres auch eine spürbare Verhärtung gegenüber Hongkong gebracht. „Hongkong, die nervöse Stadt“, war der Tenor in den Jahresausblicken der Hongkonger Medien und „Vertrauenskrise“ das bestimmende Thema. Die beschwörenden Formeln der britischen Kolonialregierung, die die Bewohner des Territoriums auffordern, Ruhe zu bewahren, um die wirtschaftliche Lage nicht zu gefährden, klingen wenig überzeugend.

Das so groß angekündigte Versicherungspaket der Londoner Regierung, mit dem sie die Auswanderung von Hongkongern in „Schlüsselpositionen“ durch die Gewährung von 22.500 britischen Pässen verhindern will, stieß auf scharfe Kritik aus Peking.

Diese Maßnahme verstoße gegen das chinesisch-britische Abkommen von 1984, in dem die Rückgabe an China vereinbart wurde. China werde nicht dulden, daß Hongkong sich ein Rechtssystem mit politischen und bürgerlichen Grundrechten gibt, die auch nach 1997 gelten und allen anderen Gesetzen übergeordnet sein sollen, wurde kurz zuvor erklärt.

Die Pekinger Regierung hat in den letzten Wochen deutliche Drohungen gegenüber „subversiven Kräften“ in der Kolonie ausgesprochen. Es gäbe in Hongkong eine „Gruppe von Leuten“, die den Umsturz der Pekinger Regierung planten, insbesondere die Hongkong Alliance for the Support of Patriotic Democratic Movement in China. Als zu Weihnachten die Verhaftung in China von fünf Bewohnern Hongkongs und Macaos wegen Hilfe zur Flucht von Dissidenten bekannt wurde, beschuldigte Peking die Alliance, Organisatorin des Fluchthilfenetzes zu sein. Der Zusammenschluß eines breiten Spektrums von etwa 210 Gruppen hatte für den Jahreswechsel zu den größten Demonstrationen gegen die chinesische Regierung seit dem Sommer aufgerufen.

Unter der Parole „Demokratie 1989 in die 90er“ gab es in der Silvesternacht eine Kundgebung, die am 1.Januar mit einem Demonstrationszug zum Gebäude der Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ (Neues China) fortgesetzt wurde. Ort der Kundgebung: ein kleiner Park im Zentrum Hongkongs. Drumherum an den Hochhäusern in Leuchtschrift die Weihnachts- und Neujahrsgrüße der Geschäftswelt und die Namenszüge der Bank of America, der Hongkong Bank, der Hilton-, Furama- und Mandarin-Hotels. Direkt am Park das alte Gebäude der Bank of China, ein Stückchen weiter auf der anderen Seite das gerade fertiggestellte höchste Bauwerks Hongkongs, die neue Bank of China. Der ganze Platz geschmückt mit Transparenten, die am nächsten Tag zur 'Xinhua'-Nachrichtenagentur getragen wurden. „Wir grüßen das Volk Rumäniens“, „Heute Osteuropa, morgen China“, „Das Volk vergißt nicht“, „Freiheit und Demokratie“, „Freilassung von „Wang Dan und den Gefangenen der Demokratiebewegung“. „Die Berliner Mauer ist gefallen, wann folgt die des Zhongnanhai?“ (des chinesischen Partei und Regierungszentrums). Auf dem Platz wird für Rumänien gesammelt, werden Kerzen und Plakate verkauft. Über 40.000 Mark sind zusammengekommen. Eine Gruppe von Leuten trägt rumänische Fahnen mit dem Loch in der Mitte und erhält Applaus, als sie zu den Klängen der Internationale auf den Platz kommt. Immer wieder erklingen Lieder der Demokratiebewegung, die chinesische Nationalhymne, die Internationale und Beethovens Neunte zur „Ode an die Demokratie und Freiheit“ umgedichtet. Das aus der Menge vereinzelt gerufene „Nieder mit der KP“, wird von den Veranstaltern ignoriert. Und als am folgenden Tag am Schluß der Demonstration, die mit über 10.000 Teilnehmern die größte seit Juli vergangenen Jahres ist, ein Mann vor dem 'Xinhua'-Gebäude die Flagge Taiwans schwenkt, eilen die Mitglieder einer Aktionsgruppe herbei und singen die Internationale dagegen an.

Um Mitternacht hatte der Sprecher der Alliance, Szeto Wah, vor den etwa 3.000 Teilnehmern eine Erklärung verlesen, in der es hieß “... Der Sieg der Völker in Osteuropa, besonders in Rumänien, hat unter der Bevölkerung in China das Streben nach Demokratie neu entfacht, und unter den Landsleuten in Hongkong und Übersee die Hoffnung, daß nicht alles verloren ist... Mit dem Eintreten in die neunziger Jahre wird die Alliance beharrlich weiter für die Einheit der Landsleute in Hongkong und anderen Teilen der Welt für die Sache der Demokratie eintreten und wird keine Aktion auslassen, die zum Sturz der faschistischen Gruppe führt, die derzeit China regiert.“ Gefordert wird die Freilassung der Verhafteten der demokratischen Bewegung und das Ende der Einparteienherrschaft in China.

„Das ist die sinnvollste Neujahrsnacht meines Lebens“, sagt ein Hongkonger Mitte Zwanzig neben mir. „Weißt Du, die meisten Hongkonger denken immer nur ans Geldverdienen. Und wer kann, versucht auszuwandern. Das können die meisten natürlich nicht. Ich glaube zwar nicht, daß das hier irgendeinen Einfluß auf die chinesische Regierung hat, aber ich muß doch etwas tun.“ „Deng Xiaoping wird sich totärgern“, sagt ein alter Mann hoffnungsvoll und streckt die Hand mit dem V-Zeichen gegen die Bank of China, „ich war gerade in China, die Situation in Peking ist sehr gespannt. Die haben Angst wegen Ceausescu.“

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