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„...dem Manne gleich an Rechten“

■ Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit - Eine Ausstellung im Historischen Museum in Frankfurt am Main

Noch bis zum 7. Januar ist im Historischen Museum in Frankfurt die einzige Ausstellung in der Bundesrepublik geöffnet, die sich im Rahmen der Zweihundertjahrfeier zur Französischen Revolution mit Frauen befaßt. Bilder und Gegenstände aus der Alltagsgeschichte führen den Anteil der Frauen an der Staatsumwälzung und dem kulturellen Wandel zwischen 1760 und 1830 vor Augen. Und sie zeigen deutlich, wo der Skandal liegt: Die Berichte über die Ereignisse von 1789 sind verkehrt. Sie verdrängen und verschleiern die entscheidende Rolle der Frauen. Ihre schrittweise Zurückdrängung aus der politischen Öffentlichkeit und ihre Verformung nach Innen zur Opfernden und Trauernden, zur innigen Mutter und Seelenfreundin im Geiste, das sind die Etappen einer Geschichtsschreibung, wie sie Männer vollzogen haben und wie sie Frauen nachvollziehen. Statt handgreiflichen Widerstands wird Frauenarbeit zur Herzensleistung.

Der erste Teil der Ausstellung zeigt Darstellungen der Ereignisse in Frankreich: wie die Unterschichtsfrauen kämpfen, wie sich die Bürgerinnen beteiligen und wie die Frauen zu den Waffen greifen. Hier wird die Herausforderung für die Ausstellungsmacherinnen (Projektleitung Viktoria Schmidt-Linsenhoff), aber auch für die -besucherinnen deutlich: Die („manngemachten“) Dokumente sind zwar oft Ausdruck einer Distanzierung, indem die Frauen lächerlich erscheinen sollen und ihre historische Kraft in der Rückschau verneint wird. Bemerkenswert ist aber, vor allem aus heutiger Sicht, daß die zeitgenössische Bildreportage die unterschiedlichen Handlungsmuster der Frauen in der Französischen Revolution gelegentlich durchaus auch im Bild anerkannt haben. Diese Bilder haben uns alle anderen Ausstellungen zu 1789 vorenthalten!

Ein kleiner Sakralraum mit einem Pult vor dem Porträt der Olympe de Gouges versinnbildlicht die Bedeutung der „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ von 1791, die jeder und jede heutzutage in der Schule kennenlernen sollte. „Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich in allen Rechten.“ (Artikel I). - In den zwölf Abteilungen des zweiten Teiles ergänzen sich Bilder und Gegenstände des Alltags. So wird eine vielschichtige Annäherung an zentrale Themen des weiblichen Lebens - Arbeit und Gefühlskultur, Körpererleben, Erziehung und Bildung - ermöglicht. Ein großer Teil der Exponate sind weibliche Produktionen: Von den Sticktüchern der Mädchen und den Scherenschnitten der Bildungsbürgerinnen bis zu Meisterwerken der Malerei und Literatur werden die Umrisse einer weiblichen Kulturgeschichte sichtbar. Das verführerische Bild der republikanischen Hetäre Aspasia von M.G. Bouliar und das hinreißende Porträt der Dame mit Lyra von Mlle. Riviere sind kunsthistorische Entdeckungen, die uns zwingen, unsere Vorstellungen von der Qualität weiblicher Kunstpraxis zu korrigieren. Dreh- und Angelpunkt zwischen beiden Ausstellungsteilen ist ein Raum mit Sitzbänken im Halbrund. Hier kann ausführlich gesprochen werden: Angesichts einer Bildergalerie mag sich der innere Blick auf einst mögliche Zukunftsentwürfe, auf verlorene Utopien einer herrschaftsfreien Geschlechterkultur richten.

Der Katalog ist ein Meisterinnenwerk: nicht nur Ausstellungsführer, sondern auch einschlägiges Handbuch zur Geschichte der Frau zwischen Revolution und Restauration, zwischen Aufklärung und Biedermeier. Die Beiträge sind die wissenschaftlichen Voraussetzungen für die Ausstellung, ohne die sie nicht hätte stattfinden können. Statt auf akademische Zirkel der Feministinnen beschränkt zu bleiben, wird der aktuelle Stand feministischer Forschung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht: ein besonderes Verdienst dieser Ausstellung.

Alexandra Pätzold

Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760-1830. Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt, verlängert bis zum 7.1.1990, Di-So 10-17 Uhr, Mi 10-20 Uhr, Katalog 38 DM.

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