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Die Mühen der Ebene...

■ ...sind nach der ersten Euphorie für den unabhängigen DDR-Frauenverband ausgebrochen

„Wir sind im Moment ziemlich überfordert.“ Ina Merkel, Mitgründerin des autonomen DDR-Frauenverbandes sagt das mehrmals an diesem Abend. Sie will damit den möglicherweise zu hohen Erwartungen vorbeugen, mit denen rund 100 Frauen am 3.Januar in der Ost-Berliner Gethsemane-Kirche zusammengekommen sind. Die Frauengruppe „Lila Offensive“ hat dort zu ihrem zweiten öffentlichen Treffen eingeladen, um über den Stand der Dinge in der Berliner Bewegung und über die Arbeit im neuen Frauenverband zu berichten. Vor einem Monat war er von über 1000 Teilnehmerinnen mit großer Euphorie aus der Taufe gehoben worden (die taz berichtete). Inzwischen haben die Mühen der alltäglichen Arbeit und der oft auch frustrierende Kleinkram die Euphorie abflauen lassen. Der harte Kern, der die Aktivitäten vorantreibt und koordiniert, ist nicht in dem Maße gewachsen, wie die Aufgaben zugenommen haben.

Noch ist der neue Verband ein Provisorium ohne rechtliche Anerkennung. Die offizielle Gründungsversammlung soll am 8.März im Rahmen eines großen Frauenfestes stattfinden. Bis dahin muß allerdings noch ein Statut erarbeitet werden. Keine leichte Aufgabe angesichts der zahlreichen und sehr verschiedenen Frauengruppen im Lande, die zwar zum Verband gehören, gleichzeitig aber nicht auf ihre Unabhängigkeit verzichten wollen. So unbürokratisch und unzentralistisch wie möglich soll die neue Organisation sein. Das verlangen vor allem Gruppen aus der Provinz, die bereits die Dominanz der Hauptstadt monieren. Gleichzeitig haben sie aber den Berlinerinnen „das Vertrauen ausgesprochen“, für sie die Verhandlungen am überregionalen runden Tisch der Regierung zu führen. Eine Ehre, die nun auf den Schultern der Verantwortlichen lastet. Denn der runde Tisch, der inzwischen einmal wöchentlich zusammentrifft, absorbiert die Energien. Die Themen, die dort zur Debatte stehen, werden in Fachausschüssen vorbereitet. Natürlich wollen die unabhängigen Frauen überall mitreden. Aber die Expertinnen, die in Fragen wie Verfassungsrecht, innere Sicherheit oder Joint-venture-Gesetze firm sind und gleichzeitig eine feministische oder zumindest frauenfreundliche Position vertreten, sind nicht eben reich gesät.

Neben dem überregionalen runden Tisch gibt es inzwischen auch regional solche Möbel. Auch dort will der Frauenverband vertreten sein. Die Aktivistinnen müssen nun also nicht nur Berufstätigkeit und Mutterschaft miteinander vereinbaren, sondern auch noch ihre politischen Betätigungen. Eine gestreßte Mutter: „Mit meinen Kindern pflege ich zur Zeit nur noch diplomatische Beziehungen.“

Vorläufig koordiniert wird die Arbeit des Verbandes von einem überregionalen und mehreren regionalen Ausschüssen. Unbezahlte Arbeit in der Freizeit. In Berlin wollen die Frauen demnächst ihr erstes Büro eröffnen. Vielleicht gibt es dann auch bezahlte Stellen. In der ehemaligen SED -Parteihochschule wurden dem Verband bereits mehrere Räume angeboten. Die Lokalität besitzt zwar nicht gerade das, was die Frauen unter einer angenehmen Atmosphäre verstehen, aber „mit ein bißchen Farbe und ein paar Transparenten“ will frau sich zunächst behelfen. Und noch eine Neuigkeit: Der Traum von einer eigenen Zeitschrift ist in greifbarere Nähe gerückt. Auf Initiative des Berliner Neuen Forums wurde vor kurzem die unabhängige Verlags-GmbH „Basis Druck“ gegründet. An den Frauenverband erging das Angebot, als Gesellschafterin einzusteigen und in eigener Regie eine zunächst monatliche - Zeitschrift herauszugeben.

uhe

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