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Wenn Pfarrer Mangelware sind

■ Auferstehungsgemeinde mußte gestern ohne auskommen / Keine Notausgabe eines Gottesdienstes, sondern eine verspätete Weihnachtsgeschichte

Wie übersteht eine Gemeinde den Sonntag ohne Pastor? Die Frage stellte sich gestern in der Hastedter Auferstehungs -Gemeinde, denn die zuständige Pastorin hatte Urlaub und ihr Kollege war auf Reisen. „Zu Ferienzeiten sind Pastoren Mangelware“ war die erste erstaunliche Erkenntnis, mit der ein Gemeinde-Laie die Situation erklärte, und gemeinsam mit zwei weiteren Mitgliedern der Gemeinde führte er durch den Gottesdienst. Zu Beginn des Rituals dauerte es auch einige Momente, bis einer der drei merkte, daß er vor dem Altar bei der Begrüßung der Gemeinde eine Hand in die Hosentasche gesteckt hatte, aber ansonsten leisteten die Schäflein die Arbeit ihres Hirten kompetent und ohne Peinlichkeiten. Nur das angekündigte Abendmal mußte deshalb ausfallen.

Anstelle einer frei gehaltenen Predigt verlas einer der Lektoren die Predigt-Meditation. Der verlesene Text von Helmut Zeigel paßte wie ein ironischer Kommentar zu dieser kollektiv geführten Andacht. Von den heiligen drei Königen und ihren Knechten wurde da erzählt, die nach der heiligen Nacht den richtigen Weg für die Rückreise suchen, wobei ein Knecht, der es wagt, in die Beratungen der hohen Herren einzugreifen, barsch in seine Schranken verwiesen wird.

Die drei Weisen wollen so weiterleben wie gewohnt, als wäre Weihnachten nur „eine niedliche Episode“. Aber als der Knecht noch einmal für sich spricht, „so wie sie alle vor der Krippe gekniet hätten, so sollten sie sich jetzt auch zusammen in die weltlichen Belange hineinknien“, da versteht einer der Könige, was wirklich geschehen ist, und er läßt sich von dem wegkundigen Knecht durch die ihm fremde Landschaft führen.

Daß nun gerade ein Laie von der Kanzel herunter diese Geschichte über die soziale Botschaft des Weihnachtsfestes und gegen Hierarchien unter Gläubigen vorlas, paßte so sinnig, daß man an diesem Sonntag eine rhetorisch brilliante Predigt kaum vermißte; und als etwas nervös die Abkündigungen verlesen wurden, wobei der Redner laut ins Mikrophon hoffte, er habe keinen Termin vergessen spätestens da rührte mich als Außenstehenden der Zusammenhalt dieser Gemeinde: Alle wollten es gut machen in dieser misslichen Situation - vielleicht können gerade Amateure, die nicht jeden Schritt und jedes Wort genau eingeübt haben, dem Ritual neue Frische geben. An diesem Sonntag wurde jedenfalls nichts heruntergebetet!

Wilfried Hippen

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