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Tante Ernas Geschenkidee

Meine Tante Erna aus Kreuzberg schenkte mir früher „Matchboxautos“. Jetzt sagte sie: „Junge, sollst auch was vom Leben haben, kauf‘ dir einen Westschlitten.“ Sie reichte 5.000 harte Piepen rüber.

„Klasse“, dankte ich kurz und ging in die Spur. Bei Karfunkes Gebrauchtautomarkt stach mir ein 80er Golf ins Auge. Piepen raus und ins Auto rin. An der Grenze traf mich der Zöllner. Netter Mann. Da gab's nur ein paar Kleinigkeiten zu bedenken, er redete von einem Gesetz. Einen Antrag für Einfuhr hätte ich vorher stellen sollen. Bei der Zollverwaltung. Typ, Fahrgestell und so was muß man melden. Wird's genehmigt - wann, wußte der Mann auch nicht -, krieg‘ ich ein Formblatt, Technisches Gutachten. Wegen verkehrssicheren Zustands und so. Könnte auch vom TÜV, dem Technischen Überwachungsverein der BRD, ausgestellt werden. Der hatte den guten Zustand zwar schon besiegelt, zählt aber nichts. Zweifache Ausfertigung nötig. Und: Dann will trotzdem das Kraftfahrzeugtechnische Institut der DDR (KTA) ein Wörtchen mitreden. Es bestimmt, ob der Golf wirklich verkehrstüchtig ist, nicht ein TÜV, der offensichtlich etwas minderbemittelt ist. Deshalb bekommt man (vielleicht?) erst einmal nach dem TÜV-Zeugnis eine befristete DDR-Zulassung und darf dann - später - auf eine „Einzel-Betriebserlaubnis“ hoffen. Die bekommt man vom KTA. Das aber erst nach einem Vorführtermin. Beim KTA selbstverständlich. Riecht nach Durchsichtstermin. Oh, das könnte dauern. Und vielleicht ist ja dann der Bugspoiler fünf Millimeter größer als KTA erlaubt?

Tante Erna hat manchmal nervtreibende Geschenkideen, danke, ich hab‘ mir die nötigen KTA-Urlaubstage dafür zusammengerechnet. Da dachte ich mir: Die Piepen sollte ich doch lieber für 14 Tage Sri Lanka einsetzen.

Peter Wirt

(Die Regelungen zur nichtkommerziellen Einfuhr von Pkw sind im Gesetzblatt Teil I, Nr.26 vom 29.Dezember 1989 veröffentlicht.) Berliner Zeitung, 6.1.199

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