Spaniens Kommunisten auf neuen Wegen

Das Linksbündnis „Izquierda Unida“ soll verbreitert werden / Über eine Million WählerInnen dazugewonnen / Kommunistische Partei tritt Kompetenzen ab  ■  Aus Madrid Antje Bauer

Die Einladung erging bereits im Sommer und wurde von den Adressaten als verschleierter Freßversuch aufgefaßt. Er würde sich freuen, schrieb der Chef der spanischen Linksunion Izquierda Unida, Julio Anguita, wenn sich die „Grüne Liste“ zu einem Gespräch mit ihm bereitfände. Doch die „Lista Verde“ hatte sich soeben erst nach langem Streit aus verschiedenen grünen Gruppierungen zusammengesetzt und war wenig erpicht darauf, die noch wackelige Identität durch eine Umarmung mit Izquierda Unida gleich wieder aufs Spiel zu setzen. Schließlich war Julio Anguita nicht nur der Spitzenmann von Izquierda Unida, sondern auch Generalsekretär der Kommunistischen Partei PCE, die das Linksbündnis dominierte. Im übrigen hofften die Grünen, wenn sie schon bei den Europawahlen keinen Abgeordneten erhalten hatten, so doch bei den im Oktober anstehenden Parlamentswahlen erfolgreicher abzuschneiden, und dann wäre ja immer noch Zeit, politische Bündnispartner zu suchen.

Inzwischen ist ein halbes Jahr vergangen, und die Karten werden neu gemischt. Die „Lista Verde“, der die spanischen Wähler auch bei den Parlamentswahlen am 29. Oktober nicht einen einzigen Abgeordneten gegönnt haben, hat sich inzwischen wieder in ihre Einzelteile aufgelöst. Izquierda Unida, das Bündnis aus der Kommunistischen Partei (PCE), der „Sozialistischen Aktionspartei (Pasoc), der „Republikanischen Linken“ (Izquierda Republicana) und Unabhängigen hingegen konnte sich eines heftigen Aufschwungs erfreuen: Über eine Million mehr WählerInnen als beim letzten Urnengang 1986 haben dem Linksbündnis ihre Stimme gegeben und ihm so zu 18 Abgeordneten verholfen - das sind elf mehr als zuvor. Diese im europäischen Rahmen recht ungewöhnliche Entwicklung ist zum einen den ehemaligen PSOE -Wählern zu verdanken, die mit dem kapitalfreundlichen Kurs der sozialistischen Regierung unter Felipe Gonzalez nicht mehr einverstanden sind. Zum anderen sind IU die Stimmen derer zugeflossen, die gegen AKWs und Umweltzerstörung sind, jedoch ihre Stimme nicht an eine Grüne Partei vergeuden wollten, die vermutlich nicht ins Parlament einziehen würde. Daß diese Protestwähler nicht bei der Stange gehalten werden können, wenn IU wie bislang als ein Bündnis aus PCE mit einigen unbedeutenden Wurmfortsätzen gilt, ist allen Beteiligten klargeworden. Seither ist Bewegung in die Formation gekommen.

Der Versuch, das Linksbündnis zu einer breitgefächerten linken Alternative zu machen, hatte sich bereits an den Spitzenkandidaten zu den Wahlen gezeigt: Auf Platz zwei der Madrider Liste, direkt hinter dem Spitzenkandidaten Julio Anguita, hatte Pablo Castellano gestanden, ehemaliges Leitungsmitglied der Sozialistischen Partei und Protagonist von deren linken Flügel Izquierda Socialista (Sozialistische Linke). Castellano, der 1982 beim überwältigenden Wahlerfolg der PSOE auf deren Liste ins Parlament eingezogen war, hatte die Partei einige Jahre darauf wegen Linksabweichlertums verlassen müssen. Bei den letzten Wahlen war er der Köder für all jene PSOE-Wähler, die ihrer Partei einen Denkzettel verpassen oder sie sogar verlassen wollten. Inzwischen ist er zum Generalsekretär von IU gewählt worden. Die Kritik Castellanos an seiner ehemaligen Partei ist ätzend. „Die PSOE“, schnarrt er, „ist keine sozialistische Partei mehr, sondern etwas völlig anderes, was man Felipismus nennt. Sie besteht aus einer Konzentration der Macht, caudillistischen Versuchungen, Vermischung von Partei, Staat und Regierung, Benutzung der Medien als Instrument der politischen Propaganda und der Aufrüttelung der patriotischen Gefühle der Bürger. Dazu kommt ihre paternalistischen Haltung gegenüber der Arbeiterbewegung die durch ihre Politik der Beihilfe in Konkurrenz zur Caritas oder zum Roten Kreuz tritt. Das sind Almosen für die Armen, damit sie nicht protestieren. Ferner die Zusammenarbeit mit den Großbanken und den Multis. All das fügt sich zu einem Salat karibischer Art, gehörig mit den Gewürzen der Korruption versetzt.“ Diese Argumentation, die in anderen Ländern linksradikal und damit abschreckend wirken würde, stößt bei vielen Spaniern auf offene Ohren. Schließlich haben sie der PSOE seit 1982 nicht zur absoluten Mehrheit verholfen, damit diese ein Wirtschaftswunder erreicht, von dem nur einige wenige profitieren. Gegen die neoliberale Wirtschaftspolitik einer sich sozialistisch nennenden Regierung waren im Dezember 1988 acht Millionen Beschäftigte in einen Generalstreik getreten. Doch beim Fingerhakeln mit den aufmüpfigen Gewerkschaften hatten sich die Sozialisten als die Zäheren erwiesen. Die Wahlen zum Europaparlament im Juni vergangenen Jahres, die als Stimmungsbarometer betrachtet worden waren, hatten erneut einen Sieg der Sozialisten ergeben - mit der Angst vor einer rechten Regierung sind in Spanien noch immer Wahlen zu gewinnen.

Daß die PSOE knapp ein halbes Jahr später doch um ihre absolute Mehrheit zittern mußte, hängt auch mit der Öffnung zusammen, die IU in der Zwischenzeit vollführt hatte. Neben den Grünen war sie die einzige Partei, die sich eindeutig gegen die Atomkraft und für stärkeren Umweltschutz aussprach. In die Männerwirtschaft der spanischen Politik hatte sie auf Platz drei der Madrider Liste eine Frau, die bekannte feministische Rechtsanwältin Cristina Almeida, gesetzt.

Jetzt, nach dem Wahlerfolg, geht es erst richtig los. IU soll zu einem breiten Bündnis werden, zu der Linksalternative schlechthin. Sozialisten, Umweltschützer, Friedensbewegte, Feministinnen - all diejenigen, die eine breite Linke tragen könnte, sollen dem Bündnis als gleichberechtigte Migtlieder beitreten können. Doch mitten im Aufbruch tauchen auch schon die ersten Schwierigkeiten auf - mit den Besitzstandswahrern des PCE. Die Kommunistische Partei, bislang von Perestroika und Glasnost weitgehend verschont, muß Leitungskompetenzen abgeben, wenn sie IU vorwärtstreiben will, findet ihr Generalsekretär Julio Anguita. Doch die Linientreuen fürchten, Anguita könne von dem Führer der italienischen KP, Achille Occhetto, angesteckt worden sein und die Partei vernichten wollen. Um eine Auflösung des PCE gehe es nicht, beeilte sich der Generalsekretär kurz nach den Wahlen zu versichern, als programmbildende Gruppe müsse sie weiter bestehen. Es ist ein Dementi wie alle Dementis: es gilt der Beruhigung. Denn auch linientreuen Parteimitgliedern fällt es inzwischen schwer, schlüssig nachzuweisen, wozu man eine Partei in einer Partei braucht - wenn nicht allein zum Zweck der Dominanz. „Auf lange Sicht gesehen“, gesteht das rechtgläubige Parteimitglied Felix Martinez ein, „könnte sich der PCE durchaus auflösen“.

Nicht nur an Problemen der Dominanz hakt das neue Politprojekt. Sprachduktus, Organisierungsformen und Art der Militanz verraten, daß bislang die Anhänger der traditionellen Linken am Werk sind, die noch immer meinen, der Gesellschaft fertige Zukunftsmodelle vorsetzen zu müssen. Hier setzt die Kritik vieler Außenstehender an. „Allein die Anmaßung, ein fertiges Gesellschaftsmodell zu besitzen, das nur angewandt werden muß, um die Menschheit glücklich zu machen, ist autoritär“, meint Rafael Guardo von den „Verdes Alternativos“, ehemals Grüne Liste. „Sie haben nicht gelernt, daß für gesellschaftliche Veränderungen die Mittel, die Wege wichtig sind und auf diesen Wegen immer neue Modelle entstehen.“ Doch will auch er nicht ausschließen, daß IU auf absehbare Zeit die einzige linke Alternative zu der PSOE darstellt. „Es ist ein riskantes Experiment, das wir da machen“, freut sich Pablo Castellano. „Riskant, aber äußerst faszinierend.“