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RGW-Tagung in Sofia: Alle wollen reformieren

■ Der Rat für Gegenseitige Wirtschafthilfe hat vor allem Wechselkursprobleme

Berlin/Budapest (taz/dpa) - Der „Zollkrieg“ der letzten Jahre zwischen den einzelnen Mitgliedsländern des RGW bezog sich zwar nur auf den grenzüberschreitenden privaten Warenverkehr und die individuelle Nachfrage nach Konsumgütern. Dennoch warf noch die jüngste Sanktionswelle gegen polnische Aufkäufe in der DDR ein bezeichnendes Licht auf die Ungleichgewichte, die zwischen den Ländern herrschen. Schließlich hatten sich zuvor auch die DDR und die CSSR mit langen Listen von Einfuhrverboten beharkt - der innergemeinschaftliche Warenaustausch funktionierte auch über die Außenhandelsorganisationen nicht.

Der RGW steht vor vier großen strukturellen Problemen. Im Vordergrund wird immer wieder über das bürokratische und unfaire Abrechnungssystem zwischen den Ländern geklagt, das auf der Verrechnungseinheit „Transferrubel“ basiert (siehe taz vom 5.1.). Diese Transferrubel, in denen unter anderem der Handelsbilanzüberschuß der kleineren Länder gegenüber der Sowjetunion ausgedrückt wird, stehen nur auf dem Papier und können nicht für den Handel mit einem dritten RGW-Land eingesetzt werden. Das zweite wesentliche Problem steht damit in einem engen Zusammenhang: Die Kurse zwischen den einzelnen RGW-Währungen, dem Transferrubel und den Westwährungen sind willkürlich festgesetzt. Das bedeutet, daß etwa im letzten November 100 DDR-Mark rund 30 Transferrubeln (TR) entsprachen, zugleich aber 100 DM 33 TR kosteten, während 100 Mark der DDR ungefähr 22 DM wert waren. Realistische Preise lassen sich damit auch nach langen Verhandlungen nicht ausdrücken - ein Grund für die Vielzahl offizieller Kurse, die die Außenhandelsorganisationen für die Lieferanten gleicher Waren aus unterschiedlichen Ländern benutzen.

Außer den Wechselkursen im Innern des RGW - über den Transferrubel - sind auch die Wechselkurse nach außen, gegenüber dem Dollar und den anderen Westwährungen, nach politischen Kriterien und nicht nach dem Zustand der Volkswirtschaften festgesetzt. Deshalb hätte die ursprüngliche tschechische Forderung nach einer Kündigung aller Währungsvereinbarungen im RGW auch heftige Konsequenzen für das Währungsverhältnis gegenüber dem Westen - einige Währungen wie der polnische Zloty und der ungarische Forint, die sich bereits weitgehend an die Weltmarktpreise angepaßt haben, wären damit wesentlich „stärker“, zugleich aber auch wesentlich inflationsbringender als etwa die Mark der DDR oder der Sowjetrubel.

Und schließlich stehen die RGW-Länder vor der Entscheidungen, ob der Rat insgesamt geschwächt oder gestärkt werden soll. Schon zirkulieren Entwürfe für eine kleinere Wirtschaftsgemeinschaft nicht nur zwischen Polen und der CSSR, sondern auch unter Einbeziehung Ungarns.

Dennoch: Vorgestern und gestern bekundeten Politiker aus fast allen Mitgliedsländern noch einmal ihre Reformabsicht. Der Sprecher des UdSSR-Außenministeriums, Gennadij Gerassimow, sprach sich für eine radikale Umgestaltung aus. Die Dynamik des gegenseitigen Handels lasse zu wünschen übrig, das gültige Preissystem entspreche nicht den realen Weltmarktpreisen. Über die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit werde mehr geredet als getan, kritisierte Gerassimow.

In Ungarn forderte der stellvertretende Ministerpräsident Peter Medgyessy am Montag in der Tageszeitung 'Nepsabadsag‘, die unzeitgemäße Struktur solle in Sofia durch neue Formen der Integration ersetzt werden. Dafür erscheine aus geographischen, wirtschaftlichen und politischen Gründen ein aus Polen, der CSSR und Ungarn gebildeter Wirtschaftsraum am besten geeignet. Der RGW solle als Rahmen bestehen bleiben; an seiner Abschaffung bestehe kein Interesse, sagte Medgyessy. Neue Integrationen könnten sich lediglich unter Ländern von ähnlichem Entwicklungsniveau und ähnlicher Größe entwickeln.

Die Tschechoslowakei will den Rat verbessern und nicht auflösen. Dies versicherte am Montag CSSR-Ministerpräsident Marian Calfa der amtlichen Nachrichtenagentur 'ctk‘ vor dem Abflug nach Sofia. Die CSSR wolle allerdings „realistischere Verhältnisse“ im RGW und werde vor allem eine Änderung der Währungskurse beantragen, gegebenenfalls aus bisherigen Währungsabmachungen des RGW austreten.

Auch Bulgarien hat am Montag eine radikale Reform des RGW befürwortet. Der stellvertretende Generalsekretär des RGW, Marin Petrow, trat der amtlichen Agentur 'bta‘ zufolge für die Bildung eines „neuen Rates“ ein. Dabei sollten die „von der Europäischen Gemeinschaft gesammelten Erfahrungen berücksichtigt werden“, insbesondere nachdem zwischen RGW und EG nützliche Kontakte aufgenommen worden seien. Einen Weg zur Erneuerung der Organisation sah Petrow in der gründlichen Änderung der Integrationsmechanismen, die in ihrer jetzigen Gestalt „die Merkmale des administrativen Kommandosystems“ trügen.

Eine RGW-Reform wird der DDR nach Auffassung der Ost -'Berliner Zeitung‘ ernste Belastungen bringen. In Sofia werde über Handel zu Weltmarktpreisen, Bezahlung beziehungsweise Verrechnung in konvertierbarer Währung und eine breite Palette von Zahlungsbedingungen gesprochen. Der Weg zur Integration zum Weltmarkt sei „goldrichtig“. Es frage sich aber, „ob man aus der eigenen Wohnung auszieht, bevor man ein neues Quartier sicher hat“.

diba

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