Nixdorf will sich mit Siemens vermählen

■ Notierung ausgesetzt / Nur Kartellamt kann Reibach der Nixdorf-Familie verhindern

Paderborn/Berlin (dpa/taz) - Der finanziell angeschlagene Computerhersteller Nixdorf gibt auf. Die seit langem schwelenden Übernahmegerüchte, die im Laufe des Jahres 1988 immer wieder zu spekulativen Höhenflügen der Aktienkurse des Unternehmens führten, haben sich jetzt bewahrheitet. Das Rennen gemacht hat der Elektrokonzern Siemens, der eine Mehrheit der Stammaktien erwerben wird.

Den finanziellen Reibach wird die Familie Nixdorf machen, die bisher mehr als 25 Prozent des Kapitals hält und über zwei - steuerentlastende - Stiftungen einen weiteren Anteil von über 50 Prozent kontrolliert. Sollten sich Insider -Informationen bewahrheiten, wonach Siemens in einer internen Studie den Wert der Nixdorf-Vorzugsaktie auf 416 DM festgesetzt habe, können sich die Nixdorf-Erben auf finanziell genußreiche Jahre freuen. Die am Dienstag noch mit einem Kassakurs von 295 DM notierten Aktien wurden an den Börsen am Mittwoch erst einmal ausgesetzt, um, wie es hieß, „Informationsgleichstand beim interessierten Börsenpublikum herzustellen“.

Die Nixdorf-Übernahme durch Siemens soll mit einer Umstrukturierung des Elektrokonzerns einhergehen. Geplant ist die Ausgliederung der Daten- und Informationstechnik aus dem Siemens-Konzern, die einen weltweiten Umsatz von 6,5 Milliarden DM erwirtschaften konnte. Unter dem neuen Firmennamen Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG sollen in Zukunft die Datentechniker beider Unternehmen an einem Strang ziehen. Das Umsatzpotential dieser Gesellschaft soll sich dann auf zwölf Milliarden DM belaufen.

Einen Strich durch diese Rechnung könnte allerdings noch das Bundeskartellamt machen, das über das Zusammenschlußvorhaben bereits vorab informiert war. Wenn im Laufe der nächsten Woche das offizielle Fusionsersuchen bei der Berliner Kartellbehörde eintrifft, bleibt dem Amt viel Zeit, um über das Gesuch zu entscheiden. Sprecher Hubertus Schön teilte mit, daß die Entscheidung seines Amtes gegenwärtig „vollkommen offen“ sei. Es werde gründlich zu prüfen sein, in welchen Bereichen der Datenverarbeitung und Telekommunikation es durch den Zusammenschluß zu einer unzulässigen Addition von Marktanteilen und damit zur Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung komme.

Die Übernahme durch einen großen und weltweit tätigen Konzern dürfte für Nixdorf die letzte Chance sein, die ökonomische Weiterexistenz sicherzustellen. Trotz diverser rhetorischer Verschleierungsversuche befand sich Nixdorf seit Mitte der achtziger Jahre am Rande eines ökonomischen Abgrundes. Schon 1988 gelang es dem Unternehmen, das immerhin einen Jahresumsatz von 5,3 Milliarden DM aufweisen konnte, nur durch den Verkauf von konzerneigenen Immobilien noch einen mageren Gewinn von gerade 29 Millionen DM auszuweisen. Für das vergangene Jahr wird gerüchteweise mit einem Betriebsverlust von bis zu einer Milliarde DM gerechnet.

Die Grundlagen für diese ruinöse Entwicklung wurden bereits zu Zeiten des Unternehmensgründers Heinz Nixdorf gelegt, der 1986 überraschend verstorben war. Der enorme Erfolg, den Nixdorf mit seiner Strategie der Ausnutzung von Marktnischen im Weltmarkt der Kleincomputer zu verzeichen hatte, hatte Nixdorf dazu verleitet, die Neu- und Weiterentwicklungen seiner Produkte nicht voranzutreiben.

Auf einem hochdynamischen Wettbewerbsmarkt wie dem Computermarkt mußte sich eine solche Nachlässigkeit schnell rächen. Gegenüber den Konkurrenzprodukten erwiesen sich die Nixdorf-Produkte schnell als veraltet. Zu den wachsenden Problemen mit der Hardware kamen rasch weitere Schwierigkeiten mit der dazugehörigen Systemsoftware. Für die von Nixdorf verfolgte Produktionsphilosophie eines „Generalunternehmers für informationstechnische Lösungen“, die ihre Klientel vor allem im Bereich der mittelständischen Betriebe suchte, bedeutete diese Problemsummierung einen herben Rückschlag.

Als dem Unternehmen schließlich die Kosten immer mehr aus dem Ruder liefen, wurde ein harter Sparkurs eingeleitet. Mehr als 5.000 Arbeitsplätze fielen weg. Genutzt hat dieser Verzweifungsschlag nichts. Die fällige Sanierung wird jetzt von Siemens vorgenommen.

Kurt Zausel