Money buys Democracy

■ Japan beendete China - Boykott und Peking hob den Ausnahmezustand auf

So eng verbunden, daß sie ihre Außenpolitik gegenüber den europäischen Ländern und den USA aufeinander abstimmen würden, sind Tokio und Peking sicher nicht. Und doch hat es in den letzten Tagen den Anschein genommen, als handelten die beiden asiatischen Großmächte im stillschweigenden diplomatischen Einverständnis. Da preschte zunächst die japanische Regierung vor und kündigte auf eigene Faust den westlichen China-Boykott auf. Das hatte die Welt bisher noch nicht gesehen, daß Japan aus dem Schatten seiner westlichen Verbündeten springt. Immerhin eine weltpolitische Weichenstellung. Diesen Tokioter Wagemut hat man in Peking nun postwendend belohnt. Die Aufhebung des Kriegsrechts in der chinesischen Hauptstadt gibt dem japanischen Vorstoß zugunsten Chinas heute schon recht - zumindest in den Augen westlicher Diplomaten. Wie es den Pekinger Studenten dabei ergeht, spielt auf internationaler Ebene schon längst keine Rolle mehr.

Die japanisch-chinesische Offensive gen Westen beruht auf durchaus soliden gemeinsamen Interessen. Für japanische Banken und Unternehmen war der Kreditstopp an China schwer zu ertragen. Die Banken fürchteten um die zukünftige Zahlungsfähigkeit der Pekinger, die Unternehmen um Markt und Investitionen. Zuviele Gelder waren bereits vor dem 4.Juni zum großen Nachbarn geflossen. Umgekehrt ist der Wirtschaftsaufbau in China ohne japanische Investitionen von Jahr zu Jahr immer unvorstellbarer geworden. Das haben auch die konservativen Wirtschaftsplaner der KPCh erkannt. Beide Seiten sind sich dieser konvergierenden Interessen vollkommen bewußt. Doch nach dem Pekinger Massaker wirkten die moralischen Bedenken des Westens als Störfaktoren. Japan war verpflichtet, noch einmal im Schlepptau der USA beim China-Boykott mitzuziehen. Erstaunlich ist heute dennoch, wie leicht es den Regierungen Chinas und Japans gelang, ihre besonderen Beziehungen wiederherzustellen.

Während Europa sich selbst umstrukturiert und die USA den Erfolg auf dem eigenen Kontinent in Panama suchte, begriffen die Machthaber in Tokio und Peking, daß es nur der Eigeninitiative bedurfte, um die scheinbar festgefahrene Situation in Bewegung zu bringen. Diesmal wartete die japanische Regierung nicht auf das grüne Licht aus dem Westen. Es liegt nahe, auch darin ein Zeichen zu sehen, daß sich die politische Weltordnung von einem bipolaren zu einem multipolaren System entwickelt. Noch ist eine Achse Tokio -Peking im internationalen Maßstab undenkbar. Doch ist sie bereits mehr als ein Gedankenspiel für Politstrategen. Die gemeinsame Abstandsbewahrung zur Sowjetunion, die gemeinsame Entfernung zu Europa und die japanische Entfremdung von den USA eröffnen neue Möglichkeiten.

Georg Blume