: Schering (Ost) traf Schering (West)
■ Schering knüpft Kontakte zu Ex-Tochter in Ost-Berlin / „VEB Berlin-Chemie“ produziert in altem Werk des Pharmakonzerns / Chefgespräche und Fußballspiele
Mit einer abtrünnigen Tochter in Ost-Berlin knüpft der Westberliner Konzern Schering jetzt wieder zarte Bande. Am Donnerstag war die Chefetage des Pharmaziewerkes VEB Berlin -Chemie das erste Mal zu Besuch bei der alten Mutter Schering. Ein „Kennenlerngespräch“ sei das nur gewesen, sagte Schering-Sprecher Gerd Wlasic gestern auf taz-Anfrage. Auf Chefebene habe man bisher eben „nie miteinander gesprochen“.
Dabei haben sich Schering und Berlin-Chemie einiges zu erzählen, trotz der „Entfremdung über die vielen Jahre“, die Wlasic konstatiert. Der Ostberliner Hauptbetrieb der Berlin -Chemie im Stadtteil Adlershof war bis 1948 nämlich ein Schering-Werk. Die Kooperation, die Schering nach der Enteignung durch die Sozialisten anfänglich noch pflegen wollte, wurde 1949 von der DDR vollständig gekappt. Nur der Name blieb eine Weile erhalten: „VEB Schering“ hieß das Adlershofer Werk, in dem heute etwa 2.000 Menschen arbeiten, noch bis zum Jahr 1956.
Seit dem 9.November 1989 laufen die Kontakte wieder auf Hochtouren. „Wir mußten uns darum gar nicht bemühen“, sagt Schering-Sprecher Wlasic. Ständig klopfen Besuchergruppen der Berlin-Chemie im Wedding an. Heute wird Wlasic erneut eine Gruppe durch das Konzernmuseum „Scheringianum“ führen; am Sonntag trifft die „Betriebssportgruppe Berlin-Chemie“ die Schering-Kollegen zu einem Fußballmatch.
Auch mit den Chefs des volkseigenen Unternehmens will Schering den „Erfahrungsaustausch“ jetzt „intensivieren“. Wlasic denkt vor allem daran, den Ostberliner Manager einmal die Produktion zu zeigen; die findet allerdings größtenteils nicht mehr in Berlin, sondern im westdeutschen Bergkamen statt. Ein Schering-Ausflug nach Adlershof ist vorerst nicht geplant. Der Nutzen eines Besuchs im Westen sei für die sozialistischen Unternehmer ja „weitaus höher anzusetzen“, als ein Gegenbesuch der Kapitalisten; das glaubt Wlasic „ohne Hoffart“ betonen zu können.
Wie man das in Adlershof sieht, wollte die Berlin-Chemie gestern auf telefonische taz-Anfrage nicht verraten. Über eine Kooperation nachzudenken, sei jetzt noch zu früh, meint zumindest der Schering-Sprecher: „Was zusammenpassen könnte, ist überhaupt noch nicht besprochen haben.“ Schering synthetisierte in Adlershof vor allem „hormonale Wirkstoffe„; heute produzieren die Adlershofer in erster Linie Insulin.
Nicht beantworten möchte Wlasic auch die Frage, ob der Westberliner Konzern eines Tages seinen ehemaligen Tochterbetrieb zurückkaufen möchte. „Diese Gedanken“, sagt Wlasic, „sind noch nicht gediehen.“ Was zusammengehörte, muß sich erstmal kennenlernen.
hmt
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