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Faschisten fischen bei den Kommunisten

Italiens „Movimento sociale“ gibt sich eine neue Führung, orientiert am Strasser-Flügel der Nazis / Gegen den Stimmenverlust der letzten Zeit soll eine Verjüngungskur helfen / Doch die neue Dynamik wird von dem alten Rauti repräsentiert  ■  Aus Rimini Werner Raith

Wenn Aimone Finestra, 72, neofaschistischer Senator und langjähriger Parteichef der Region Lazium, an die Zukunft denkt, hat er gar kein gutes Gefühl. Das beginnt schon bei seinen Söhnen, 24 und 27: „Sicher, als Geschäftsleute sind sie 1a“, sagt er, „doch mit Politik haben sie überhaupt nix am Hut.“ Doch „Probleme mit unserem Nachwuchs haben wir alle“, die Partei „steckt in einer noch schlimmeren Krise als die Kommunisten“.

Da hat er wohl recht. Die einst europaweit stärkste neofaschistische Sammlungsbewegung, der „Movimento sociale italiano/ Destra nazionale“ (MSI/DN) hat mehr als die Hälfte der früher fast 400.000 Mitglieder verloren; die Stimmenanteile sind von fast zehn, in manchen Südprovinzen auch 25 Prozent auf gerade noch fünf gesunken. Geld fehlt an allen Ecken und Enden, sogar die Parteipostille 'Il XX. secolo‘ konnte zeitweise nicht mehr erscheinen.

Seit in den letzten drei Jahren neben dem zwanzig Jahre unumstrittenen MSI-Führer Giorgio Almirante auch noch ein halbes Dutzend berühmter alter Kämpfer verstorben ist, gehen viele ältere MSI-WählerInnen nicht mehr zu den Urnen.

Almirante hat kurz vor seinem Tod die Gefahr erkannt und eine radikal verjüngte Parteispitze durchgesetzt, mit dem erst 35jährigen Gianfranco Fini als Sekretär. Doch obwohl das „Knäblein“ (Alte-Kämpfer-Spott für Fini) sich redlich bemühte, vor allem beim Katholikenvolk neue Wähler zu finden - die Erosion schritt weiter fort.

Das rührt einerseits natürlich von einer derzeit für alle Oppositionsparteien ungünstigen innenpolitischen Großwetterlage her, geprägt von einem starken Wirtschaftsboom, internationalem Prestigegewinn und schlitzohrigen Aktionen der Regierung. Doch das eigentliche Debakel liegt für den MSI darin, daß nahezu alle seine herkömmlichen Hauptthemen nach und nach durch andere politische Gruppen besetzt werden.

Das soll nun anders werden. In Rimini wird in dem bis zum Wochenende dauernden Nationalkongreß des MSI/DN eine neue Führung gewählt. Ziel: „eine neue, junge, dynamische, der neuen sozialen Frage ebenso wie den internationalen Veränderungen aufgeschlossene Gruppierung zu bilden“, wie die Einpeitscher schon vor dem Kongreßsaal auswendig hersagen.

Neue Attraktivität gewinnen

Auf den ersten Blick absurd, daß der „neue, junge MSI“ nun einen Vorsitzenden bekommen soll, fast doppelt so alt wie der bisherige: Pino Rauti, 64, wie einst Almirante Kollaborateur der Nazitruppen, Gründer der Kampf- und Schlägergruppe „Ordine nuovo“ und ab und zu auch in der Verdacht regelrechter Terrorismustaten geraten, soll nun die renovierte Partei führen.

Doch die Wahl macht Sinn. Rauti gehört jenem Flügel des MSI an, der sich einerseits am Strasserflügel der reichsdeutschen NSdAP orientiert, und so gilt er auch beim Fußvolk als der einzige, der nun bei der Klientel der krisengeschüttelten Kommunisten fischen kann; andererseits pflegt er den „Movimentismus“, den in den letzten Jahren wieder bei allen Parteien in Mode gekommenen Druck durch außerparlamentarische Gruppierungen, und setzt sich für Umweltthemen ein. Die Gorbatschow-Euphorie der Italiener nützt Rauti, indem er den seit jeher starken Antiamerikanismus der Neofaschisten ganz nach vorne schiebt und solche Gefühle nun mit dem absoluten MSI-Copyright versieht.

„Wir streben in die Regierung“, erklärt uns einer der herumwieselnden Sekretäre, weil Rauti selbst, staatsmännisch, über sein Programm kaum etwas sagt; von einer „anderen Republik“, wie ehedem,. ist nicht mehr die Rede. „Die“, sagt einer seiner Topunterstützer sanft im Presseraum, „die brauchen wir auch gar nicht zu fordern: Das besorgen schon die anderen, Craxi speziell.

So weicht die Stimmung im kleinen Kongreßpalast von Rimini bald einer starken Aufbruchstimmung. Während sie im Saal lautstark die Faschistenhymne An Rom schmettern, sind Rauti und seine Fans, obwohl die Wahl noch gar nicht stattgefunden hat, bereits an der Nach-Kongreß-Arbeit, und das heißt am Aufbau enger Beziehungen zu den anderen Parteien.

Weit braucht er dafür nicht zu gehen. Gleich zur Linken sitzen bereits Führungsmitlieder der Christ- und Sozialdemokraten im Saal und, erstmals, auch zahlreiche Sozialistenobere. „In zwei Jahren, wenn ein neuer Staatspräsident gewählt wird“, lacht Senator Finestra, „können, wenn Rauti auch nur die derzeitige MSI-Stärke hält, die Stimmen der Neofaschisten entscheidend sein.“ Und da will man schon heute die Hand des entschei denden Menschen geschüttelt ha ben.

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