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Wladimirs Höhenflug

■ Der Großherzog von Rußland sieht seine große Stunde kommen und meldet Ansprüche auf den Zarenthron an

Die Hoffnung der baltischen Staaten auf Unabhängigkeit hat in der vergangenen Woche unerwarteten Auftrieb erhalten. Großherzog Wladimir von Rußland versprach bei einem Essen mit dem Tory- Nachwuchs in London, den drei Staaten völlige Autonomie zu gewähren, wenn er den Zarenthron bestiegen hat. Wladimir ist der Urenkel von Zar Alexander II. und Queen Victoria sowie ein Cousin des letzten Zaren, Nikolaus II. Er sieht sich daher als rechtmäßigen Erben des russischen Throns. Allerdings hat er sein Reich bisher noch nicht betreten: 1917 in Finnland geboren, lebt Waldimir heute in Madrid. „Es wäre doch sehr traurig, diese Welt zu verlassen, ohne sein eigenes Land zu kennen“, klagte Seine Hoheit, blieb jedoch optimistisch: „Da die Kontakte jetzt viel offener sind, habe ich erfahren, daß viele Russen an einer Monarchie stark interessiert sind.“ Die Tories bedachten den Zaren in spe mit stehenden Ovationen. Noch mehr Applaus erhielt allerdings Gregory MacLennan Lauder-Frost von der „Russischen Monarchistischen Liga“, der daran erinnerte, wie Wladimirs Vorfahre Iwan der Schreckliche einem widerspenstigen französischen Botschafter den Hut an den Kopf nagelte. So etwas würde Wladimir nie tun: Er will ein liberaler Zar mit offenem Ohr für die Sorgen kleiner Leute sein. Schließlich hat er 1939 für kurze Zeit unter falschem Namen im englischen Peterborough gearbeitet, um das Leben eines „durchschnittlichen Arbeiters“ kennenzulernen.

Ralf Sotscheck

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