: Spezialdezernate statt P-Abteilungen
■ Politische Abteilungen der Staatsanwaltschaft werden aufgelöst / Vier neue Dezernate werden gebildet / Definition des Begriffs „Gewaltkriminalität“ umstritten / Generalstaatsanwalt Treppe will nicht mitmachen
Für Straftaten mit politischem Bezug soll es ab jetzt in Berlin keine Sonderzuständigkeit mehr geben. Die politischen Abteilungen der Staatsanwaltschaft sollen aufgelöst und statt dessen vier neue Spezialdezernate eingerichtet werden. Diese Entscheidung hat Justizsenatorin Jutta Limbach gestern vor versammelter Presse bekanntgegeben. Während die AL den Beschluß mit einem „ja, aber“ begrüßte, verkündete der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Treppe, daß er an „der Umsetzung der Entscheidung nicht mitwirken“ werde, weil er diese nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Hintergrund der Entscheidung ist die vor annähernd einem Jahr in der Koalitionsvereinbarung festgelegte Auflösung der berüchtigten politischen Abteilungen I und II der Staatsanwaltschaft. In den vergangenen Monaten hatte sich jedoch schon angekündigt, daß im Justizsenat von einer Auflösung der P-Abteilung im Sinne der Koalitionsvereinbarung keine Rede mehr ist. Seit gestern liegt das neue Modell endlich auf dem Tisch: Statt der alten P-Abteilungen sollen bis zum 17. April vier neue Spezialdezernate gebildet werden, deren Aufgabenbereich allerdings nicht mehr die Bearbeitung von Straftaten mit sogenanntem „politischen Bezug“ sein soll: „Auf dieses Merkmal wird verzichtet, weil es die Gefahr einer Entwicklung von Tat- und Gesinnungsstrafrecht birgt“, erklärte die Justizsenatorin gestern. Die Definition der vier neuen Gruppen sei vielmehr nach Schwerpunktgebieten erfolgt: a) Gewaltkriminalität, b) Parlaments-, Status-, Ost -West-Sachen und Rechtshilfe, c) Organisationsdelikte, e) Jugendschutz, Pornographie.
Das Dezernat für Gewaltkriminalität, das in jeweils eine Abteilung für Jugendliche und Erwachsene unterteilt werden soll und das erste seiner Art in der Bundesrepublik ist, wurde nach Angaben von Limbach „vorrangig“ für besonders gefährliche Gewalttäter eingerichtet: für Jugend- und Erwachsenenbanden, die auf offener Straße, in Parkanlagen oder in Bahnhöfen Bürger „angreifen“, oder Menschen, die aus Demonstrationen oder Ansammlungen heraus „Gewalt oder Roheitsdelikte begehen“. Und natürlich für Personen, die „Geschäfte verwüsten“ oder „von Hausdächern mit Betonplatten auf Polizeibeamte werfen“.
Laut Limbach sollen die Dezernenten für Jugendbanden über ein besonderes pädagogisches Wissen verfügen und alle Dezernenten für Gewaltkriminalität ein profundes Hintergrundwissen über die Kiezstrukturen, wie im Märkischen Viertel oder Kreuzberg, haben. Hausbesetzerverfahren und Prozesse um Auseinandersetzungen in Hochschulen fallen nach Angaben des Justizsprechers nur dann in die Zuständigkeit dieses Dezernats, wenn „Gewalt“ im Spiel war.
Verfahren gegen Polizeibeamte würden in Zukunft nur dann von der Spezialgruppe bearbeitet, wenn eine „Gegenanzeige“ aus einem anderen Strafverfahren erstattet worden sei. Bei der Frage, ob die neuen Dezernate mit den Staatsanwälten der alten P-Abteilung besetzt werden sollen, verwies die Justizsenatorin darauf, daß dafür Generalstaatsanwalt Treppe zuständig sei. Jener erhielt gestern zum wiederholten Male Schützenhilfe von der CDU: „Steinewerfer, gewalttätige Chaoten und Brandstifter sind die einzigen Nutznießer dieser Gleichschaltung“, hieß es in einer Presseerklärung.
plu
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