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BLUMEN FÜR MUTTER

■ „Keine Hand wäscht die andere“ im Eiszeit

Jean-Luc Godard und Rainer Werner Fassbinder haben ihre Filmreihe mit Krimis begonnen: Heiner Mühlenbrock, Jungregisseur, Absolvent der Berliner Filmakademie und Godard-Verehrer, hat es mit seinem Abschlußfilm Keine Hand wäscht die andere (1987) ihnen nachgetan. Und wie bei Godard dient die dramatische Rahmenhandlung eher als Hilfsgerüst für narrative Mikrogeschichten und Digressionen, die den linearen Handlungsablauf verzögern und sich zu einer Art Spaziergang durch Kinogeschichte und Kinoklischees verbinden.

Hier der Plot, der über den Film wenig sagt: Ein italienischer Gangster sucht seine französische Frau, die nach Deutschland abgehauen ist und die er deswegen umbringen muß. Von ihm erfährt man nicht viel mehr, als daß er einen roten Alfa Romeo und eine italienische Pension bewohnt und Attentate auf seine Frau verübt, bis ihm am Schluß der Mord gelingt. Die Französin dagegen ist nach dem Muster der unbeschwerten Jean Seberg aus Godards Au bout du souffle gestrickt, jemand, der auf der Zickzacklinie der Gelegenheiten durchs Leben läuft. Sie arbeitet in einem Blumenladen, wo der sympathische Robert, der nicht ganz an Belmondo heranreicht, für seine Mutter Blumen kauft und sie von dem Attentat ihres Mannes rettet, sie anschließend zu sich mit nach Hause nimmt, von wo sie abhaut, nicht, ohne ihm 300 Mark zu klauen, bis er sie wieder bei Filmdreharbeiten ausfindig macht, nur um sie erneut zu retten...

Eine Geschichte über den zeitweiligen Gleichschritt zweier Personen und eine vorübergehende Anziehung, im Mund der Französin etwas zu auswendig gelernt, von Robert schon empathischer vorgetragen und doch in ihrem ganzen Teststreckencharakter äußerst filmgerecht. Wie diese Liebe ist der Film eine hypothetische Konstruktion, ein Spiel auf glatter Fläche, die Probe aufs Exempel, ob dieses oder jenes filmische Erzählen noch tragfähig ist. Alles ist auf Künstlichkeit angelegt, die witzigen Dialoge, die zu schön sind, um wahr zu sein; die Ironie hinter den Bildern, wenn Heiner Müller beispielsweise über Verbrechen spricht, die nicht Selbstzweck sein sollten, sondern Mittel zur Durchsetzung von materiellen Interessen; die Großeinstellung auf der Protagonistin ErdbeermundWeil der Film auf der Höhe der Zeit sein will, hat er etwas zuviel „Overdressing“ in den Bildern, zuviel Absicht in der Hervorhebung des Tons, zuviele Spiegelungen und zuviele modische Einschübe und Gags, wie die Offline-Modeschau oder den Riesenaufwand für den Dreh eines Filmdrehs - und doch witzige Persiflagen auf das Filmgeschäft, wenn die Statisten für ein geäußertes „Ooo“ Sprechzulage verlangen und der Produktionsleiter die Zulage durch die Zahl der am Ooo beteiligten Personen dividiert.

Immer wieder Verfremdungen durch Zitate; die wiedererkennbaren Kameraschwenks oder die Einblendung eines Comicheftes lösen wohltuende Distanznahme aus: ein sauber gearbeitetes, sich selbst testendes Gesellenstück, eine hauchdünne Oberfläche, aus der Zelluloid nun mal ist.

Michaela Ott

Vom 18. bis 21.1. und 23. bis 24.1. im Eiszeit-Kino, 20 Uhr.

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