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CSSR will Truppenabzug bis Juni

■ Noch vor den Parlamentswahlen sollen die ersten sowjetischen Soldaten abgezogen werden / Erste bilaterale Verhandlungsrunde in Prag / Moskau hat noch nicht Position bezogen

Prag (afp) - Die tschechoslowakische Regierung hat bei den Gesprächen mit der Sowjetunion über einen Truppenrückzug verlangt, daß mindestens die Hälfte der 80.000 Sowjettruppen in der CSSR bis zu den für Juni geplanten freien Wahlen das Land verlassen. Der Rest der Truppen solle bis Jahresende abgezogen werden, erklärte der Sprecher des Prager Außenministeriums, Lubos Dobrovsky, am Mittwoch. Die Vorlage dieses Zeitplans habe bei der sowjetischen Verhandlungsdelegation „eine gewisse Überraschung“ ausgelöst, sei aber nicht abgelehnt worden. Beide Seiten hätten sich vielmehr trotz einiger Meinungsverschiedenheiten auf den „totalen Abzug“ der Sowjettruppen als Endziel geeinigt.

Da die sowjetische Delegation, die sich am Montag und am Dienstag in Prag aufhielt, nicht mit einer absoluten Verhandlungsvollmacht ausgestattet gewesen sei, habe man sich darauf geeinigt, spätestens in der ersten Februarwoche in Moskau weiterzuverhandeln, sagte Dobrovsky. Er bezeichnete den von der Prager Regierung vorgelegten Zeitplan trotz logistischer Probleme als realistisch. Die Sowjets wollten den Abzug aus der CSSR mit Fortschritten bei den Wiener Abrüstungsverhandlungen verbinden, Prag meine jedoch, daß durch einen vorzeitigen Abzug die Abrüstung in Europa gefördert wird, sagte Dobrovsky. Nach Ansicht des Außenamtssprechers hat die sowjetische Delegation die Veränderungen in der CSSR nicht in ihrem ganzen Ausmaß erkannt. Sie unterschätze auch die „Ungeduld“ der tschechoslowakischen Bevölkerung, die den Abzug der Truppen, die den „Prager Frühling“ 1968 niedergeschlagen haben, möglichst bald wollten. Die CSSR habe bei den Verhandlungen auch deutlich gemacht, daß sie zu ihren Verpflichtungen im Warschauer Pakt weiterhin stehe. Um diese zu erfüllen, reiche aber die tschechoslowakische Armee aus.

Die Abrüstungsverhandlungen in Wien würden dadurch nicht behindert, sondern nach Ansicht Prags eher beschleunigt. Die zweite Gesprächsrunde sei für die erste Februarwoche geplant. Dies solle der UdSSR Zeit geben, einige technische Probleme zu lösen. Bedingung für weitere Gespräche bleibe der völlige Abzug bis zum Jahresende. Die gegenwärtigen Probleme der UdSSR zwängen Moskau, sich auf innere Angelegenheiten zu konzentrieren.

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