: Israel sucht Anschluß an Osteuropa
Finanzminister Peres reist nach Prag / Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der CSSR steht bevor ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Nach Ungarn und Polen dürfte die Tschechoslowakei das dritte Land des Ostblocks sein, das wieder volle diplomatische Beziehungen zu Israel aufnimmt. Am Sonntag wird Finanzminister Scahimon Peres nach Prag fliegen, wo er am Montag von Präsident Vaclav Havel empfangen wird. „Beide Seiten sind nicht nur an politischen Beziehungen interesssiert, sondern auch an wirtschaftlichen“, sagte Peres vor seiner Abreise. „Die Einstellung gegenüber Israel hat sich in Prag geändert, vor allem unter dem Einfluß der Sozialdemokraten.“
Im israelischen Außenministerium zeigte man sich über die Peres-Reise nicht erfreut und bezeichnete sie gar als „schädlich“. Die Einladung geht auf eine Prager Initiative zurück und war an den Chef der Arbeiterpartei adressiert, nicht an Außenminister Mosche Arens vom Likud-Block. Havel hatte bereits in seiner Neujahrsansprache erwähnt, daß noch vor den Wahlen diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen werden sollen. Die osteuropäischen Staaten - mit Ausnahme Rumäniens - hatten nach dem Krieg von 1967 ihre Beziehungen zu Israel abgebrochen.
Noch in diesem Jahr dürften auch die diplomatischen Beziehungen zur DDR wiederaufgenommen werden. Möglicherweise steht auch ein Botschafteraustausch mit Bulgarien und Jugoslawien sowie vor allem mit der Sowjetunion bevor. Israels Wissenschaftsminister Eser Weizmann weilte Anfang des Jahres als Gast der Akademie der Wissenschaften in Moskau und wurde auch von Außenminister Eduard Schewadnadse empfangen. Bei dieser Gelegenheit wurde bekanntgegeben, daß die Vertretung der palästinensischen Befreiungsorganisation in Moskau in den Rang einer Botschaft erhoben wurde. Gleichzeitig hieß es, die UdSSR beabsichtige, innerhalb eines halben Jahres eine Gesandtschaft in Israel zu errichten.
Während Weizmann sich in Moskau aufhielt, gastierte das israelische Nationaltheater Habimah in der UdSSR. Noch nie zuvor gab es einen ähnlich lebhaften kulturellen Austausch zwischen beiden Staaten. Und in jüngster Zeit wandern immer mehr sowjetische Juden nach Israel ein: Im Dezember waren es 3.000, für diesen Monat wird mit 5.000 Neuankömmlingen gerechnet. Eine Entwicklung, die die Palästinenser in den besetzten Gebieten mit Sorge beobachten, zumal Ministerpräsident Jizchak Schamir die vermehrte Einwanderung als Argument für ein „Großisrael“ (inklusive der besetzten Gebiete) heranzog.
Die Jerusalemer Regierung ist bestrebt, Anschluß an die osteuropäischen Staaten zu finden. Israel versteht sich eher als Teil Europas denn als Teil der arabischen Welt. Und Europa, mit einem „Deutschland“ an der Spitze, wird als der Kontinent der Zukunft eingeschätzt.
Bemühungen um Deutschland
Der stellvertretende israelische Außenminister Benjamin Netanjahu erklärte diese Woche, Israel müsse seine Kontakte zu West- und Osteuropa intensivieren und sich vor allem um „Deutschland“ bemühen. Im Falle einer Vereinigung der BRD und der DDR werde Deutschland sehr bald zur weltweit zweitgrößten Wirtschaftsmacht aufsteigen. In München soll demnächst eine zweite israelische Vertretung eröffnet werden, „weil München als wirtschaftliches und politisches Zentrum gilt“, so Netanyahu.
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