: Historische Tatsachen
Wir leben in einem Land, in dem es ohne weiteres möglich und normal war, daß ehemalige Mitglieder der NSDAP führende Ämter und Stellungen in Politik, Justiz und Wirtschaft einnehmen konnten. Und es waren nicht nur „einfache“ Mitglieder.
Ein „furchtbarer Richter“ konnte Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden (Herr Filbinger), ein Kommentator der „Nürnberger Gesetze“ (1935) konnte Staatssekretär im Bundeskanzleramt und engster Berater des Kanzlers werden (Herr Globke). Ehemalige Mitglieder der NSDAP konnten Bundeskanzler und Bundespräsident werden. Alle diese Menschen wurden (und werden) als durchaus geeignet angesehen, in einem demokratischen Staat hohe und höchste Ämter zu bekleiden.
Immer war die bundesrepublikanische „Lesart“: Sie waren nicht verantwortlich für die Nazi-Verbrechen; was konnte man als einfaches Mitglied schon tun usw.
Neuerdings liest und hört man es ganz anders, nämlich: Die SED hat abgewirtschaftet, auch einfache Mitglieder sind mitverantwortlich, also dürfen sie nicht in eine demokratische Regierung.
Wie sind solche unterschiedlichen Beurteilungen möglich, besonders wenn man bedenkt, daß Mißwirtschaft, Rechtsverletzungen und Unterdrückung durch die SED wohl kaum mit den Verbrechen der Nazis auf eine Stufe zu stellen sind.
Ich bin kein Kommunist, noch nicht einmal ein „Sympathisant“, aber ich habe noch ein wenig Sinn für historische Wahrhaftigkeit, und ich habe die historischen Tatsachen nicht einfach vergessen.
Werner Moche, Minden
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