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Kurdinnen-betr.: "Ich dachte, die Ehe sei Freundschaft", taz vom 3.1.90

betr.: „Ich dachte, die Ehe sei Freundschaft“, taz vom 3.1.90

Mit Empörung und Verärgerung sowohl über die taz als auch über die Autorin haben wir den Artikel über kurdische Frauen gelesen.

Wir sind Mitarbeiterinnen des Internationalen Bildungs- und Beratungszentrums für Frauen und ihre Familien HINBUN, zu dessen BesucherInnenstamm mehrere hundert kurdische Frauen und Familien zählen. In unserer Arbeit sind wir daran interessiert, die besondere Problematik der KurdInnen als drittgrößter Ausländergruppe in der BRD und Berlin-West bekanntzumachen. Ebenso geht es uns darum, Vorurteile abzubauen und das Zusammenleben zwischen Deutschen und Immigrantinnen durch gegenseitiges Kennen- und die jeweilige Eigenart akzeptieren lernen im Hinblick auf eine multikulturelle Gesellschaft zu verändern.

(...) Wir kritisieren, was in diesem Artikel an groben Verallgemeinerungen, Halb- und zum Teil Unwahrheiten, Schwarz-Weiß-Malerei und Vorurteilen übermittelt wird. Antje Bauer gibt Solidarität mit den kurdischen Frauen vor, kreiert aber ein Bild von den Kurden (und dazu gehören ja auch die Frauen dieses Volkes), durch das Distanz und Fremdheitsgefühle geschürt werden.

Was in diesem Artikel an Diskriminierungen und Meinungsmache direkt und auch zwischen den Zeilen herüberkommt, wirkt einem friedlichen, sich gegenseitig bereichernden Zusammenleben zwischen Deutschen und ImmigrantInnen in unserer Gesellschaft direkt entgegen. Er schafft Vorurteile, Distanz und Abneigung und liefert Futter für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Dies ist angesichts der derzeit rapide zunehmenden Deutschtümelei besonders problematisch.

Der Artikel zeugt von einer großen Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Lebensbedingungen der KurdInnen, die vor allem gekennzeichnet ist durch eine massive politische und ökonomische Unterdrückung. (...) Statt dessen wird die LeserIn der taz informiert über die Rückständigkeit des Südostens des Landes, mit der Implikation, daß die Menschen dort selbst dafür verantwortlich sind. (...)

Auch das aus der Springer-Ecke bekannte Argument, daß Arbeitslose gar nicht wirklich nach Arbeit suchen, wird von der Autorin vertreten. Hat sie denn gar keine Ahnung, daß es in Diyarbakir fast 40 Prozent Arbeitslose gibt? Die Wahrheit wird in diesem Artikel so verzerrt, daß sie in das Täter -Opfer-Muster der Autorin hineinpaßt. Darüber hinaus interpretiert sie mit einer eurozentristischen Denkweise und scheint zu glauben, daß es den Frauen hier in Europa in der Tat sehr viel besser geht.

In dem Artikel werden die kurdischen Frauen als völlig unselbständige (...) Wesen dargestellt, die der Macht, der Gewalt und der Begierde ihrer angeblich besonders gewalttätigen Landsmänner ausgesetzt sind. Die Autorin verallgemeinert ohne Skrupel, manche Passagen könnten eine ahnungslose taz-Leserin mit Ekel und Abneigung erfüllen. Anstatt kurdische Frauen in ihrer Persönlichkeit zu beschreiben, werden sie über ihren Körper und ihre Kleidung definiert Jede Selbständigkeit wird als „wirkliche Ausnahme“ bezeichnet. (...)

Aso Agace, Theda Borde, Theresa Rieth, Berlin

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