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Invasion in Panama - Warnung für Mittelamerika

Seit dem US-Einmarsch in Panama ist das Verhältnis zwischen den lateinamerikanischen Staaten und den Vereinigten Staaten gestört  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Vor der US-Botschaft in Managua stehen Panzerwagen, seit dem die Invasionstruppen der Vereinigten Staaten in Panama die Mission Nicaraguas und anderer lateinamerikanischer Staaten umstellt halten. Perus Präsident Alan Garcia will nicht mit George Bush zusammentreffen, bevor die Truppen aus Panama nicht abgezogen sind und hat deswegen seine Teilnahme am Drogengipfel in Bogota abgesagt. Kolumbiens Präsident Virgilio Barco bezweifelte, daß Kriegsschiffe der US-Flotte vor den Küsten seines Landes tatsächlich der Drogenbekämpfung dienten und protestierte gegen deren Präsenz. Im UNO-Sicherheitsrat blieben die USA letzten Mittwoch allein mit ihrem Veto gegen eine von Nicaragua lancierte Resolution gegen die Verletzung der diplomatischen Immunität. Und US-Vizepräsident Quayle mußte seine Pläne für eine Lateinamerikareise mehrmals umstoßen, weil einige Regierungen ihm diskret gesteckt hatten, daß ein Besuch derzeit nicht opportun sei.

US-Interesse am

„Hinterhof“ unterstrichen

Lateinamerika ist durch die Panama-Invasion deutlich verstimmt und beunruhigt. Denn das Beispiel Panama führt den kleinen Staaten des Kontinents drastisch vor Augen, daß ihnen ähnliches jederzeit widerfahren kann. Für Nicaragua und Kuba bedeutet die Invasion nicht nur den Verlust eines taktischen Verbündeten in der Region, sondern auch eine wirtschaftliche Katastrophe. Beide hatten das Wirtschaftsembargo der USA durch von Noriega kontrollierte Firmen in Panama unterlaufen. Vor allem für Kuba, wo ein eigenes Ministerium für solche Geschäfte existierte, bezog den Großteil seiner Hochtechnologie via Panama und konnte auf diesem Wege Shrimps in die USA verkaufen. In Nicaraguas Diplomatenladen sind seit der Invasion nicht nur Spaghetti, sondern auch andere lebenwichtige Güter ausgegangen.

Für den ganzen Kontinent signalisiert der Panama-Einmarsch den Beginn einer alarmierenden neuen Entwicklung. Durch die Auflösungsprozeß im sozialistischen Block und den Verzicht Gorbatschows auf den Gewinn neuer Einflußzonen in Lateinamerika fühlen sich die USA wieder bestärkt in ihrer selbstgewählten Aufgabe als Weltpolizist - vor allem im traditionellen Hinterhof. In dem Maße, wie der Ost-West -Konflikt in den Hintergrund rückt, spitzt sich der Nord-Süd -Konflikt zu. Und da der Kommunismus als angebliche Bedrohung immer weniger brauchbar ist, dient inzwischen der internationale Drogenhandel als Vorwand für die Disziplinierung Lateinamerikas.

Der ehemalige Lateinamerikastaatsekretär Elliot Abrams triumphierte nach der Kapitulation Noriegas: „Fidel Castro hat letzte Nacht sicher schlecht geschlafen und Daniel Ortega wahrscheinlich überhaupt nicht.“ Wenn Panama unter innenpolitisch vertretbaren Kosten einzunehmen war, warum sollte Nicaragua ein unverdaulicher Happen sein? Und in Kuba genügt es vielleicht, ein bißchen nachzuhelfen. Denn wenn der Funke der Rebellion gegen die autoritären sozialistischen Regimes über den Atlantik springt, sind die Tage des alternden Lider maximo der Revolution ohnedies gezählt. Kein Zweifel: Mit der Okkupation Panamas haben die USA das geostrategische Kräfteverhältnis im karibischen Raum zu ihren Gunsten verändert. Der demokratische Senator Sam Nunn, einer der ersten ausländischen Besucher beim frischgebackenen Präsidenten Endara, erklärte sich ziemlich unverhüllt: Die erfolgreiche Invasion habe den USA Vertrauen in ihre Armee gegeben, daß sie auch in der Zukunft Missionen ähnlicher Art erfolgreich erledigen könne. Viel deutlicher kann man's nicht sagen.

Kein Wunder, daß die Sandinisten fürchten, Nicaragua könnte das nächste Ziel sein. Einige Parallelen zu Panama drängen sich geradezu auf: In beiden Ländern waren bis zum Einmarsch nationalistische Regierungen an der Macht, die sich gegen die Dominanz der Vereinigten Staaten auflehnten. In beiden Fällen gab es eine von den USA gesponserte Opposition, die keine Bedenken hat, notfalls durch eine Intervention des großen Bruders an die Macht zu kommen. Der entscheidende Unterschied ist, daß diese Opposition in Panama im vergangenen Mai tatsächlich einen überwältigenden Wahlsieg davontrug und General Noriega sich nur durch Schiebung und Annullierung des Ergebnisses retten konnte. In Nicaragua verheißen alle seriösen Umfragen für die Wahlen im Februar einen neuerlichen Triumph der Sandinisten, doch bereitet die Rechtsopposition schon das Terrain für Betrugsvorwürfe, die ein Szenarium wie in Panama schaffen sollen.

Außer in Nicaragua hat es in Zentralamerika von offizieller Seite keine Proteste gegeben. Sogar der Friedensnobelpreisträger Oscar Arias in Costa Rica fand, die Invasion sei gegenüber dem gestürzten Noriega-Regime das geringere Übel. Nur salvadorianische Befreiungsfront (FMLN) und nationalistische Gruppen in Guatemala und Honduras verurteilten die barbarische Völkerrechtsverletzung und kritisierten die servile Haltung der Regierungen, die sich bei der Resolution der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gegen die Invasion der Stimme enthielten.

Doch auch Nicaragua wird nicht darum herumkommen, die von den Invasionstruppen installierte Regierung anzuerkennen. Das Außenministerium hat bereits den panamaischen Botschafter um die Biographien der neuen Regierungscrew gebeten. Von Noriega, der durch seine antiimperialistische Haltung zum Verbündeten der Sandinisten geworden war, heißt es inzwischen, er sei eben kein Revolutionär gewesen und hätte sein Volk in der Stunde der Not im Stich gelassen, um seine eigenen Haut zu retten. Die Endara-Regierung wird in Managua stillschweigend akzeptiert. Dabei kommt Präsident Ortega die sogenannte Estrada-Doktrin entgegen, Sie besagt, daß die Beziehungen nicht zwischen Regierungen, sondern zwischen Völkern und Staaten bestehen. Es bedarf also gar keiner ausdrücklichen Anerkennungserklärung, um die Beziehungen zu dem von den Invasoren eingesetzten Regime zu normalisieren.

In Panama drängt zwar die Stahlhelmfraktion innerhalb der Regierung zu einem Bruch mit Nicaragua und Kuba, doch speziell im Falle Nicaraguas werden sich vermutlich die Wirtschaftsinteressen durchsetzen. Nicaraguas staatliche und private Händler kaufen monatlich für durchschnittlich 30 Millionen Dollar in Panama ein. Diesen Umsatz wollen sich die ohnehin durch Krise und Plünderungen angeschlagenen Großhändler nicht entgehen lassen.

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