piwik no script img

Zur Hölle mit den Cricket-Touristen

Boykottbrecher gefährden Gespräche zwischen schwarzen und weißen Sportorganisationen in Südafrika  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Cricket ist ein langweiliger Sport. Eine Begegnung kann bis zu fünf Tage dauern - täglich sieben Stunden Spiel. Die dramatischen Höhepunkte andererseits sind in Sekundenbruchteilen vorbei. Es gilt als aristokratisches Spiel nach gehobener englischer Tradition - kein Sport für Lümmel. Doch in der letzten Woche hat das langweilige Cricket in Südafrika und England für Daueraufregung, unflätige Schlammschlachten in den Medien und brutale Straßenkämpfe zwischen Polizei und Demonstranten gesorgt. Thema ist allerdings weniger der Sport als die Politik.

Es geht um den Anti-Apartheid-Sportboykott, den internationale Organisationen gegen Südafrika verhängt haben. Anlaß ist die Ankunft einer 16köpfigen englischen Cricketmannschaft am vergangenen Freitag in Johannesburg „Rebellen“, die sich dem Sportboykott und ihrem eigenen Verband widersetzt haben, um in den nächsten sieben Wochen eine Serie von Spielen in Südafrika zu veranstalten.

Die Emotionen sind aufgeputscht. Das Anti-Tour-Komitee, eine Allianz verschiedener Anti-Apartheid -Sportorganisationen, hat versprochen, den Cricket-Touristen mit friedlichen, aber hartnäckigen Demonstrationen „das Leben zur Hölle“ zu machen. Krish Naidoo, Vorsitzender des „Nationalen Sportkongresses“ (NSC), der zum Boykott aufruft, behauptet, Geoff Dakin, der Präsident des südafrikanischen Cricketverbandes SACU, Gastgeber der Rebellen, habe ihm telefonisch mit dem Tod gedroht. Dakin nennt das eine „böse Lüge“.

Die englischen Cricketrebellen bekommen jeder etwa 300.000 Rand (210.000 Mark) für ihre Beteiligung. Allerdings konnte SACU diesmal, trotz erheblicher Steuervorteile, keinen Sponsoren für die Rebellen finden. Die Konzerne haben Angst vor einem Konsumentenboykott, zu dem Oppositionsgruppen aufrufen könnten. So könnte es sein, daß der Cricketverband diesmal auf Gewinne verzichten muß.

Dies ist nicht der erste Besuch von „Rebellen“. Seit es den internationalen Boykott gegen Südafrika gibt, sind eine Reihe von Mannschaften durch die enormen Gelder, die ihnen in Südafrika angeboten werden, ins Apartheidland gelockt worden. Die meisten Cricketfans, und deren Hautfarbe ist zum größten Teil weiß, halten den Aufruf zum Sportboykott für einen von Südafrikas Feinden organisierten Angriff. Sie unterstützen die Rebellen. Die Demonstranten sind für diese Fans einfach Chaoten.

Polizei zurückgepfiffen

Doch eine erhebliche Zahl sonst eher unkritischer Sportfans ist sich nicht sicher, ob diese Mannschaft zu diesem Zeitpunkt nach Südafrika kommen sollte. Das hat vor allem mit der allgemeinen politischen Stimmung in Südafrika zu tun. Die Möglichkeit von substantiellen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition zur Abschaffung der Apartheid rückt näher. Die Regierung gibt sich konzilianter, erlaubt zum Teil friedliche Demonstrationen. Die Konfrontationen rund um die Boykottbrecher kann sich die Regierung eigentlich nicht leisten.

So wurde die Polizei, die bei der Ankunft des Teams in Johannesburg gegen 200 friedliche Demonstranten mit Knüppeln, Hunden und Tränengas vorgegangen war, zwei Tage später zurückgepfiffen. Weitere Konfrontationen sind dennoch vorprogrammiert. Demonstranten wollen Sportfelder besetzen, um Spiele gegen die Rebellen zu verhindern. Das wird die Polizei auf keinen Fall zulassen.

Die allgemeine Dialogbereitschaft der letzten Wochen in der südafrikanischen Politik zeigt sich auch im Sport. Boykottorganisatoren sprechen inzwischen von der Möglichkeit, mit den etablierten, von Weißen kontrollierten Verbänden zu einem Abkommen zu kommen, das zu einer Reintegrierung in den internationalen Wettbewerb führen könnte. Doch trotz direkter Gespräche zwischen NSC und SACU hat der Cricketverband diese Möglichkeit nicht berücksichtigt.

Das überrascht, denn SACU läßt schon seit Ende der siebziger Jahre schwarze Mitglieder zu und betreibt seit einigen Jahren ein „Township-Programm“, um schwarze Jugendliche für den Sport zu interessieren. Das war anfangs nur ein Feigenblatt, um gegen Boykottbefürworter ein Argument zu haben, wird inzwischen vom Verband aber durchaus ernst genommen. Dieses Township-Prgramm könnte nun in Gefahr sein. Denn Oppositionsgruppen haben am Wochenende angekündigt, daß sie das Ausbildungsprogramm aus Protest gegen den Besuch der Rebellen stören wollen.

Solche Ausbildungsprogramme können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es noch immer krasse Unterschiede in den Möglichkeiten schwarzer und weißer Sportler gibt. „Sport in Südafrika ist unfair und von der Apartheid durchsetzt“, sagte Wille Basson, Leiter der südafrikanischen Sportföderation. Während Weißen Hunderte von Sportfeldern, Schwimmbädern und Tennisplätzen zur Verfügung stehen, streiten sich Jugendliche in den Townships um jeden einigermaßen offenen, wenn auch abschüssigen und steinübersäten Platz, auf dem sie Fußball spielen können.

Dennoch ist der erst letztes Jahr gegründete NSC, der dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) nahesteht, bereit, schon jetzt über eine Normalisierung des Sports mit von Weißen kontrollierten Verbänden und mit Sponsoren zu sprechen. Das ist neu. Bisher wurde der Sportboykott innerhalb Südafrikas vor allem vom in den siebziger Jahen gegründeten „Südafrikanischen Sportrat“ (Sacos) befürwortet. Mit dem Motto „Kein normaler Sport in einer abnormalen Gesellschaft“ vertritt Sacos, der eine Verbindung zum ANC in der Vergangenheit immer abgelehnt hat, eine strenge Politik, die jegliche Zusammenarbeit mit Vertretern des Apartheidstaates, sogar mit Stadtverwaltungen, untersagt.

Der NSC meint andererseits, daß auch Schwarze Steuern zahlen und deshalb ein Recht haben, von schwarzen Stadtverwaltungen kontrollierte Sportanlagen zu benutzen. Die Organisation ist zudem bereit, vermittelnd zwischen rivalisierenden Verbänden aufzutreten. So finden zur Zeit zwischen verschiedenen Fußballverbänden Gespräche statt, die zu einem einheitlichen, nichtrassistischen Verband führen sollen. Wenn das klappt, sind internationale Spiele, auch gegen afrikanische Mannschaften, nicht mehr ausgeschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen