„Soldaten-Urteil“ aussichtslos

■ Vizepräsident des Bundesgerichtshofs spricht sich für Einstellung des Verfahrens aus

Karlsruhe (dpa) - Nach dem umstrittenen Freispruch eines wegen Beleidigung der Soldaten angeklagten Arztes durch das Landgericht Frankfurt hat sich der Vizepräsident des Bundesgerichtshofes, Hannskarl Salger, für die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen. Die Richter am OLG Frankfurt, die sich nun mit der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision befassen müßten, befänden sich psychologisch in einer „fast aussichtlosen Lage“, sagte Salger in einem jetzt erschienenen Interview der 'Zeitschrift für Rechtspolitik‘. In dem „Soldaten-Urteil“ war die Behauptung des Arztes: „Alle Soldaten sind potentielle Mörder“, zwar als Beleidigung angesehen worden. Das Gericht hatte dem 42jährigen Angeklagten jedoch die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ als Rechtfertigungsgrund zugebilligt und ihn daraufhin freigesprochen. Der Arzt habe mit seiner umstrittenen Äußerung die Grenzen der Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz nicht überschritten. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Dieter Wellershoff, bewertete die Haltung der 29. Strafkammer als „unerträglich und unbegreiflich“. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Revision gegen den Freispruch beim OLG eingelegt. Nach Auffassung Salgers legt es der „sehr hoch angesiedelte“ Grundsatz des fairen Verfahrens nahe, die Anklage einzustellen. Denn bestätigten die Richter am OLG das freisprechende Urteil, werde in der Öffentlichkeit gesagt: „Jetzt haben sie denen aber ihre Unabhängigkeit gezeigt!“ Verurteilten sie andererseits den Angeklagten, dann heiße es: „Sie haben sich der Dienstaufsicht oder der Volksmeinung gebeugt.“