Transrapid weiterhin in der Schwebe

■ Der Einsatz der Magnetschwebebahn und der Bau einer Anwendungsstrecke in der BRD bleibt umstritten

Ökologisch nicht vertretbar, technisch unausgereift und finanziell ein Vabanquespiel: So stellt sich der Transrapid nach 19jähriger Entwicklungszeit für die meisten der Gutachter dar, die gestern bei einer Anhörung des Verkehrsausschusses des Bundestages zu Wort kamen. Die Transrapid-Lobby kämpft unterdessen immer verbissener um ihren „schnellen Traum“. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie und SPD -Abgeordnete Catenhusen würde als Forschungsminister in einem Kabinett Lafontaine einer Referenzstrecke im Inland nicht mehr zustimmen. Den Transrapid im Ausland kann er sich vorstellen, möchte ihn aber nicht mit Subventionen zum Exportschlager machen.

Bei der Einführung der Pferdebahn in New York, so ließ der FDP-Bundestagsabgeordnete Karl Laermann vor einigen Tagen verbreiten, sei die Diskussion ebenso verlaufen wie beim Transrapid: Die Ablehnung sei „vielfach mehr emotional als rational“ begründet. Wohl nicht nur, erwies sich gestern bei der Anhörung des Verkehrsausschusses. Doch gestern vormittag, als er was hätte lernen können, fehlte freilich Herr Laermann. Dafür aber waren viele gekommen, die den Widerstand gegen das geplante Milliardengrab einer Transrapid-Strecke von Essen nach Bonn bereits organisieren, und fühlten sich bestätigt in ihrer Kritik.

Die Bundesbahn spricht dem Transrapid rundweg jede Serienreife ab. Dafür sei ein Streckenabschnitt nötig, auf der alle Verkehrssituationen im praktischen Einsatz getestet werden könnten, erklärte der Bundesbahn-Sachverständige Rahn auf der von den Grünen beantragten Anhörung von 37 Gutachtern: Auf der derzeitigen Versuchsstrecke in Friesland sei diese Serienreife nicht zu erbringen. Auch nach Meinung anderer Gutachter müßten noch „eine Vielzahl technischer Probleme gelöst werden“. Die Bundesbahn rechnet mit mindestens drei bis vier Jahren Erprobungszeit nach Fertigstellung der Referenzstrecke.

Die Transrapid-Lobby behauptet dagegen, die Serienreife sei bis zum Baubeginn 1994 auf der Versuchsstrecke zu erreichen. In der Zwischenzeit soll die Referenzstrecke gebaut werden. Auf der könne danach sofort der reguläre Beförderungsbetrieb aufgenommen werden. Während die Bundesbahn für eine Serienreife von mehreren Millionen Kilometern Praxisbetrieb ausgeht, ist der Transrapid bislang erst 20.000 Kilometer im Geschwindigkeitsbereich über 300 Stundenkilometern gefahren, mußte die Transrapid-Lobby eingestehen. Deutlich wurde, daß es bei vielen Problemen wie der Begegnung zweier Transrapid -Züge bei Tempo 500 mit den aufeinanderprallenden Luftpolstern, des Luftdrucks bei Tunneldurchfahrten, der Weichentechnik und der Leitsteuerung weder Erfahrungen noch entwickelte Techniken gibt. Es gebe „hervorragende theoretische Methoden“ zur Lösung der Probleme bis 1994, übte sich Thyssen-Vertreter Raschbichler in Optimismus. Wie da die Wirklichkeit ausgegrenzt wird, machte der TÜV -Vertreter deutlich. Es werde nicht unterstellt, daß das Fahrzeug gegen Hindernisse fährt, die auf der Strecke liegen, hieß es knapp: Die extreme Leichtbaukonstruktion sei „dafür nicht konzipiert“. Schließlich werde auch ein „Flugzeug nicht auf Kollision ausgelegt“.

Ob die Transrapidstrecke, über die die Bundesregierung unabhängig von der Sachverständigen-Anhörung bereits im Dezember letzten Jahres entschied, bis 1996 in Betrieb gehen kann, wird auch von anderer Seite bezweifelt. Die nordrheinwestfälische Landesregierung machte deutlich, daß ein Planfeststellungs- und Raumordnungsverfahren für die zunächst geplante Baustufe zwischen den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn mindestens vier Jahre benötigt - allerdings nur, wenn es keinerlei Einsprüche gibt. Dafür aber werden mit Sicherheit die rund 70 Bürgerinitiativen sorgen, die sich bereits gebildet haben. Ob die Planfeststellungsphase wie geplant - im Sommer dieses Jahres überhaupt eingeleitet wird, ist gleichfalls offen. Bislang hätten die Betreiber noch nicht alle notwendigen Unterlagen eingereicht, teilte der NRW-Vertreter mit. Insbesondere die „umwelt- und stadtverträgliche Einpassung“ der Trasse in die dichtbesiedelten Ballungsräume wurde als Problem genannt. Die Landesregierung bekräftigte zugleich ihre Entschlossenheit, aus Landesmitteln keine einzige Mark für den Transrapid zuzuschießen. Genau dieses aber hatte das Bundeskabinett als Bedingung für den Bau genannt.

Ähnlich vernichtend für den „Tiefflieger auf Stelzen“ ist auch die Frage der Wirtschaftlichkeit. „Nach fast einmütiger Auffassung aller Sachverständigen ist zur Zeit ein verkehrswirtschaftlicher Bedarf (...) nicht erkennbar“, faßte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Dionys Jobst (CSU), zusammen. Etliche Stellungnahmen lesen sich wie ein Kaskade von Ohrfeigen für den Transrapid-Systemführer Thyssen und die Bundesregierung. Der Transrapid werde Fahrgäste fast ausschließlich von der Bundesbahn abziehen, nicht aber für Umsteiger von PKW und Flugzeug sorgen, stellen übereinstimmend das NRW-Institut für Landes- und Stadtentwicklung (ILS) und die Intraplan Consult fest.

Weil die Bundesbahn mit dem Hochgeschwindigkeitszug ICE inzwischen ebenfalls Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h erreichen kann, fiele auch dieser Vorteil des Transrapid weg, urteilt der Stuttgarter Verkehrsexperte Professor Heimerl. Zudem sei der Lärmpegel und der Energieverbrauch deutlich höher, befinden andere Sachverständige. Das Umweltbundesamt spricht von einem Energie-Mehrverbrauch des Transrapid von 40 bis 50 Prozent gegenüber dem ICE.

Eine Reduzierung des PKW-Verkehrs und der Flugbewegungen könnte durch den Ausbau der Eisenbahn besser erreicht werden, bilanziert das Umweltbundesamt: Investitionen sollten so getätigt werden, daß „maximale Verlagerungseffekte erzielt werden“, wird die Bundesregierung indirekt gerügt. Selbst der relative Vorteil der hohen Geschwindigkeit komme auf der 85 Kilometer kurzen Strecke zwischen Essen und Bonn nicht zum Tragen; das Passagieraufkommen zwischen den beiden Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf, welche die Magnetbahn als „funktionsfähige Einheit“ verbinden soll, sei außerdem zu gering, um die Investition zu lohnen. Die Kosten für die Strecke werden derzeit mit 3,6 Milliarden Mark angegeben. „Kostenerhöhungen um ein Mehrfaches“ sind aber nach Ansicht des ILS angesichts der vielen noch offenen Fragen und technischen Probleme „nicht auszuschließen“. Wo der Widerstand zu groß und die Wirtschaftlichkeit so mager ist, hat die FDP ganz neue Wege ausgemacht, um Thyssen doch noch glücklich zu machen. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Wolfgang Weng, ließ verbreiten, man solle den Transrapid doch von Hamburg über Berlin und Leipzig nach München führen. Ob er glaubt, daß man den Zonis alles verkaufen kann, muß unbeantwortet bleiben. Denn zur Anhörung war auch Herr Weng nicht anwesend.

Gerd Nowakowski