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Italiens Kirche im Rollback

Italienische Bischofskonferenz bedroht Hilfe bei Abtreibung mit Exkommunikation Vierzigseitiges Schriftstück will Kinderkriegen zur sozialen Pflicht erheben  ■  Aus Rom Werner Raith

Zwei Jahre lang haben über drei Dutzend Experten der italienischen Bischofskonferenz daran geschrieben und formuliert - das Ergebnis löst jetzt bei Italiens Frauenverbänden Entsetzen aus: Ein 40seitiges Schriftstück mit dem Titel „Evangelisierung und Kultur des menschlichen Lebens“ stellt für alle die sofortige Exkommunikation in Aussicht, die eine Abtreibung vornehmen oder auch nur dabei helfen. Diese Exkommunikation soll „ex loco“ erfolgen, d.h. automatisch und ohne eine ausdrückliche Bestätigung im Einzelfall. Ein einziger Punkt dabei bleibt unklar und sorgt daher auch innerkirchlich für Wirbel: Es wird nicht gesagt, ob die abtreibende Frau zu den „Mithelfern“ zählt oder ob sich der Ausschluß von den Sakramenten nur auf Ärzte und sonstige Beistände bezieht.

Auch sonst haben es die 40 Seiten in sich: Alles, was in früheren Lehrbriefen noch Raum für Interpretation und eine künftige Weiterentwicklung der einschlägigen Theologie gelassen hatte, ist nun eliminiert. Gestatten z.B. die päpstlichen Enzykliken immerhin noch Empfängnisverhütung per Enthaltsamkeit, so gilt dies für die Italiener nach Ansicht ihrer Bischöfe auch nicht mehr: Kinderkriegen wird in dem Schriftstück zur sozialen Pflicht erhoben - Hintergrund ist wohl Italiens abgesunkene Geburtenrate, die nur noch wenig Nachwuchs an Kirchgängern erwarten läßt.

Italiens Frauenverbände, auch der katholische, reagieren überwiegend entsetzt: In den ersten Stellungnahmen weisen die meisten Vereinigungen auf die Doppelmoral der Bischöfe hin - während sie Frauen in Not den Beistand durch Exkommunikation abschneiden wollen, haben sie sich bisher stets geweigert, ein analoges Dokument gegen notorische Mafiosi, Berufskiller uä. auszusprechen.

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