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Volle Gewerbefreiheit in der DDR

Regierung hebt gesetzliche Beschränkungen für Handwerks-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe auf / Grünes Licht für Joint-ventures In wenigen Tagen können Anträge für ausländische Kapitalbeteiligungen gestellt werden / Mitbestimmung ja, aber keiner weiß wie  ■  Aus Ost-Berlin M. Rediske

Die DDR-Regierung hat gestern auf ihrer Ministerratssitzung die Zulassung voller Gewerbefreiheit für Handwerks-, Handels - und Dienstleistungsbetriebe beschlossen. Der Ministerrat verabschiedete erwartungsgemäß auch eine Joint-venture -Verordnung, nach der für kleinere und mittlere Betriebe grundsätzlich eine ausländische Mehrheitsbeteiligung möglich sein soll.

Im Interesse wirtschaftlicher Stabilisierung sollen „alle Möglichkeiten für volle Gewerbefreiheit privater Unternehmen, Handwerks- und Gewerbebetriebe“ offenstehen, sagte Regierungssprecher Wolfgang Meyer. Alle Beschränkungen sollen durch neue Rechtsgrundlagen aufgehoben werden. Zulassungsbeschränkungen, Begrenzungen der Beschäftigtenzahlen und Gebühren bei der Einfuhr von Produktionsmitteln für Handwerk und Gewerbe seien aufgehoben. Vorbereitet werde die Zulassung einer eigenen Aushandelstätigkeit sowie neue Steuerregeln.

Wirtschaftsministerin Christa Luft gab die Verabschiedung einer Regierungsverordung über Gemeinschaftsbetriebe („Joint -ventures“) bekannt. „In wenigen Tagen“ kann es losgehen, erklärte sie gestern: Westdeutsche Unternehmen dürfen Anträge auf die Bildung von Joint-ventures mit DDR-Betrieben stellen. Dann nämlich, wenn die gestern von der Regierung verabschiedete Verordnung im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht wird.

Grundsätzlich soll der ausländische Anteil bis zu 49 Prozent betragen. Er kann aber, so relativiert die Verordnung sich selbst, „höher sein, wenn der Zweck des Unternehmens eine höhere ausländische Beteiligung im volkswirtschaftlichen Interesse rechtfertigt oder es sich bei den Beteiligten um Betriebe kleiner oder mittlerer Größe handelt“. Als Beispiel für ein solches „volkswirtschaftliches Interesse“ nannte die Ministerin Investitionen, die die Konsumgüterversorgung schnell verbesserten - ein weites Feld für westdeutsches Kapital.

Die Mitbestimmung der Beschäftigten sei in der Verordnung „ausdrücklich festgelegt“. Konkrete Rechte würden allerdings in einem künftigen Arbeitsgesetzbuch festgelegt. Auf die Frage nach den Arbeitnehmerrechten im Falle der späteren Auflösung einer Joint-venture konnte die Stellvertreterin von Ministerpräsident Modrow nur auf ein noch nicht existierendes Gesetz über das Konkursverfahren verweisen. Also Arbeitslosenunterstützung? „Bei diesem Wort zucken wir, wenn wir's hören“, meinte Christa Luft, aber die Regierung werde ein „Paket sozialer Absicherung“ erarbeiten.

Dann ging es um die Sechs-Milliarden-D-Mark-Kredite für kleine und mittlere Unternehmen aus ERP-Mitteln. Auf die Frage der taz, ob nicht durch die Auszahlung von derart hohen D-Mark-Summen die Westwährung de facto zur Parallelwährung werde, gab die Ministerin zwar zu: „Das Problem haben wir ja schon.“ Aber die ERP-Kredite würden wohl „für den Import von Produktionsmitteln draufgehen“.

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