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Die Partei, mit der keiner gerechnet hat

■ Vor einem Jahr gewann eine bis dato unbekannte rechtsradikale Partei in Berlin 7,5 Prozent der Stimmen/In einer dreiteiligen Serie beschreibt C.C.Malzahn den Aufstieg und Niedergang der...

Die Stimmung im Saal war gereizt und der konservative Bundestagsabgeordnete kam in seinem heimatlichen Kreisverband zunehmend ins Schwitzen. „Wir müssen das machen!“ beschwor er die Delegierten, doch das christdemokratische Fußvolk zeigte an diesem Frühlingsabend des Jahres 1987 ein Einsehen nicht. Und das kam so: Mit großem Pomp feierten beide Halbstädte in diesen Tagen das 750jährige Bestehen des ganzen Berlin. Doch so sehr auch diesseits und jenseits der Mauer gejubelt, geprostet, geklatscht und getrommelt wurde: Etwas war falsch an diesem subventionierten kulturellen Großereignis. Jede Stadthälfte reklamierte die Interpretation der Großberliner Historie für sich, und wie geschichtsträchtig der Ort zu sein hatte, hing in nicht unwesentlichem Maße von der alliierten Schutzmacht ab, die ihn pro forma verwaltete.

Um Berlin wenigstens einmal als ideelle Gesamtmetropole zu würdigen, bastelten West- und Ost-Diplomaten deshalb an einem Treffen zwischen dem damaligen Regierenden Bürgermeister Diepgen (CDU) und dem Staatsratsvorsitzenden der DDR und SED-Chef, Honecker. Als das im Frühjahr publik wurde, fühlten sich nicht wenige Berliner CDU-Mitglieder auf ihren schwarzrotgoldenen Schlips getreten.

„Dieses Treffen kommt einer faktischen Anerkennung der DDR gleich!“ schäumte ein junger Mann auf der bereits angesprochenen CDU-Versammlung. Die Antwort des Parlamentariers, daß man als Regierung eben Opfer bringen müsse, half nicht mehr; „Verrat! Verrat!„-Rufe wurden laut, und der Rest der Geschichte, die in CDU-Kreisen immer wieder mal zum besten gegeben wird, ist, wenn schon falsch, zumindest gut erfunden: Ein stramm-rechter Jungunionist, der seine Freizeit unter anderem in einer schlagenden Verbindung verbrachte, preschte an das Rednerpult und warf dem irritierten Partei- und Vereinskollegen einen Handschuh hin. „Ich fordere Sie zum Duell!“ soll er noch gestammelt haben und dann gegangen sein. Obwohl beide noch leben, fand dieses Duell - in verifizierter Form - noch statt: Am 29. Januar 1989 trafen die „Republikaner“ mit 7,5 Prozent mitten ins Herz der CDU und säbelten der konservativen Volkspartei zudem noch den rechten Wählerflügel ab.

Der zornige junge Mann hatte nämlich die Christdemokraten sehr schnell verlassen und sich einer neuen, noch relativ unbekannten Truppe angeschlossen, die Rechtsstaatlichkeit, Ehrlichkeit und Patriotismus für sich in Anspruch nahm. Werte also, die er bei seinen korrupten, machtbesessenen früheren Parteikollegen für längst verloren glaubte. In einer typischen Austrittserklärung dieser Zeit begründen zwei CDU-Jungfunktionäre ihren Übertritt zu den REPs: „Das Anerkennen der ‘Realitäten, der vorzeitige Verzicht auf die deutschen Ostgebiete ... sprechen eine deutliche Sprache. Die beiden äußern Enttäuschung über die „äußerst lasche Handhabung des §218, die Asylantenfrage“ und „die Ost-West Einladungspolitik“. Ihr Fazit: „Wir sind als Führungspersonen innerhalb der Schülerorganisation der CDU nicht länger gewillt, eine derart opportunistische, dem Zeitgeist angepaßte und von Proporzdenken geprägte Politik zu unterstützen und fordern daher alle uns nahestehenden Mitglieder der Union auf, unseren Schritt nachzuvollziehen.“

Die Partei wird aufgebaut

Etwa 50 CDU-Mitglieder, viele von ihnen aus der Jungen Union, folgten im Jahre 1987 dem Ruf der beiden Abtrünnigen. Im September wurde der Berliner Landesverband dann, vier Jahre nach dem ersten Auftreten der REPs in Bayern, offiziell gegründet. Die damalige Führungsriege: Klaus Weinschenk, Sozialrecht-Professor und Mitglied der reaktionären „Notgemeinschaft für eine freie Universität“, Ute Witt, frühere CDU-Abgeordnete des Bezirksparlaments in Berlin-Charlottenburg und Dr. Otto Wenzel, Ex-SPD-Stadtrat im Wedding. Die „drei großen Ws“ (REP-Jargon) hielten sich nur ein knappes Jahr. Im Juli 1988 trat das Trio geschlossen zurück und wenig später aus der Partei aus. Hintergrund des parteiinternen Konflikts: Weinschenk und Konsorten wollten aus Angst vor einer Riesenblamage die Kandidatur der REPs zu den Abgeordnetenhauswahlen verhindern. Das Parteivolk jedoch murrte, fragte auf dem Parteitag empört nach, warum man überhaupt eine Partei sei, wenn man sich gar nicht zur Wahl stelle. Die „drei großen Ws“ wurden deutlich überstimmt, und der neue Landesvorsitzende hieß Bernhard Andres.

Der 38jährige Polizeiobermeister holte sich die Wahlerlaubnis von Schönhuber und legte los. Die REPs rechneten im Herbst 1988 mit einem Wahlergebnis von höchstens drei Prozent, denn ihre Partei war - von Antifa -Gruppen und Rechtsauslegern abgesehen - kaum bekannt. Von einer Massenpartei waren die Berliner REPs weit entfernt: Nur einige hundert Mitglieder waren in das Parteiregister eingeschrieben. Mit Mühe wurden die Kandidatenlisten für die Bezirks- und Landeswahlen gefüllt - auch die letzte Pappnase wurde noch aufgestellt.

Zu dieser desolaten Situation kam hinzu, daß die REPs, gerade ein Jahr alt, schon in zwei Lager gespalten waren. Dem einen stand der 26jährige Jurastudent Carsten Pagel vor, der nach seinem Austritt aus der CDU schnell eine Seilschaft ehemaliger Jungunionisten um sich geschart hatte („Ich will in den Bundestag!“) und sich zum Pressesprecher der Partei hatte machen lassen. Pagel, der im Gegensatz zur Mehrheit seiner Parteikollegen in der Lage war, grammatikalisch korrekte Sätze zu formulieren und in seinen Reden auch mal das eine oder andere Fremdwort verwandte, hatte schnell den Ruf eines eingebildeten „Intellektuellen“ weg. Von seinem Kontrahenten, dem Verkehrspolizisten Bernhard Andres mit christdemokratischer und liberaler Vergangenheit, konnte man das nicht gerade behaupten. Die beiden Parteiflügel als Fraktionen zu bezeichnen, würde den Konflikt zwischen Andres und Pagel politisch überbewerten. In erster Linie standen sich beide auf dem Weg nach oben gegenseitig im Weg. Während Andres aber ausschließlich darauf aus war, seine Pfründe zu sichern und Postenhuberei betrieb, machte Pagel das, was man Politik nennt: Er leierte die REP-Kampagne gegen das Ausländerwahlrecht an, konnte Reden halten, die über eine „Es lebe! Nieder mit!„-Rhetorik hinausgingen und bastelte vor allem nach der Wahl - an einer programmatischen Zusammenarbeit zwischen Konservativen und Rechtsradikalen. Das Tischtuch zwischen Andres und Carsten Pagel war schon vor dem Wahlerfolg soweit zerschnitten, daß der Landesvorsitzende seinen Stellvertreter nicht mal zur Wahlparty einlud.

„Ende Dezember haben wir mit drei Prozent gerechnet!“ gestand Pagel in einem Interview der taz. Zu diesem Zeitpunkt war die knapp anderthalb Jahre alte Partei immer noch zu unbekannt, daran konnten auch ihre Flugblattaktionen nichts ändern. In die Schlagzeilen gerieten sie erst in der heißen Wahlkampfphase im Januar 1989: Zum einen durch einen rassistischen Wahlkampfspot, der im Berliner Regionalfernsehen ausgestrahlt werden mußte, zum anderen durch die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Antifa-Demonstranten während des Wahlparteitages der REPs im Januar 1989.

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Ein Wahlkampfspot: Türkische Kinder marschieren durch Kreuzberger Straßen, Autonome liefern sich Gefechte mit der Polizei, neben einer Toilette liegt der leblose Körper einer Fixerin. Über diese Bilder, die Angst einjagen sollen, haben die Macher Sergio Leones Filmmusik aus dem Italowestern „Spiel mir das Lied vom Tod“ gelegt. Der rassistische Streifen, den die REPs in Eigenregie produziert hatten, wurde vom Fernsehen des SFB zum ersten mal am Abend des 2.Januar ausgestrahlt. Am 3.Januar erstattete die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), gegen die REPs Strafanzeige wegen Volksverhetzung. In der REP -Zentrale sorgte das einen Moment lang für Verwirrung; dann aber wurde beratschlagt, wie das Beste aus der Situation zu machen sei. „Wir überlegten uns erst mal, was zu tun sei. In der Presse zu sein, war schon mal gut. Schlechte Werbung ist besser als gar keine. Die Leute hörten unseren Namen, und das Theater mit der John kostete uns keinen Pfennig. Da mußten wir dranbleiben“, schreibt das Ex -Landesvorstandsmitglied Alexandra Kliche, die drei Monate nach den Wahlen zur CDU wechselte, später in ihren Politmemoiren. Auch Pagel erklärte später immer wieder, daß die REPs ihre Position über den juristischen Streit mit Frau John und den Spot deutlich verbessern konnten. Die REPs waren seit Anfang Januar plötzlich im Gespräch.

Zwei Wochen später kam es während des Wahlkampfparteitages der REPs im Berliner Kongreßzentrum zu einer über Stunden andauernden Straßenschlacht zwischen Polizei und Gegendemonstranten. Über 95 Polizisten wurden verletzt und mindestens ebensoviele Antifas. Als sich der autonome Block vom ICC zurückzog, lag eine nahegelegene Geschäftsstraße in Scherben. „Danach haben viele Leute bei uns angerufen, die Mitglied werden wollten, - wegen der Chaoten“, erklärte Pagel zur „Schlacht vor dem ICC“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten die REPs ein wirkliches Image, sie standen für rassistische Ressentiments und einen knallharten Staatsapparat. Obwohl die REPs kaum Geld hatten, war ihr Wahlkampf in den letzten Wochen vor der Wahl sehr effektiv. Das große Medienecho hatte die Parteianhänger offenbar beflügelt. In Hochhaussiedlungen und Betonburgen wurden gezielt Werbematerialien und Flugblätter verteilt. Wo Arbeitslose und sozial Schwache vermutet wurden, erhöhte man den Agitprop-Einsatz. Taxifahrer wurden agitiert, weil man sich von ihnen eine Multiplikatorenwirkung versprach. Innerhalb der Polizei fand die REP-Propaganda ein besonders großes Echo. Eine sozialdemokratische Zeitung für Polizisten enthüllte noch vor der Wahl, daß eine ganze Beamtenabteilung - quasi als kollektiver politischer Protestakt - gemeinsam REP wählen wollte. Auf diese Warnsignale haben die Altparteien, einschließlich AL, nicht reagiert - oder sie haben sie übersehen. Vor allem SPD und CDU gaben ein jämmerliches Bild ab in diesen Tagen. Die Diepgen-Partei bezweifelte bis zur ersten Hochrechnung keine Sekunde lang, daß sie den Sieg in der Tasche hätte. Immerhin war ihr Kandidat doppelt so beliebt wie Walter Momper. Entsprechend einfältig und selbstzufrieden gingen die Konservativen in den Wahlkampf. Die Sozialdemokraten hatten sich mit einer Niederlage schon abgefunden und versteckten ihren Herausforderer, den Mann mit der Glatze, wo sie nur konnten. Jeder erwartete im Grunde die Wiederholung des Wahlergebnisses von 1985. Doch dann kam alles ganz anders.

ccm Fortsetzung folgt nächsten Samstag

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