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B-Freiung von Heckelmann im Audi-Max

■ Eröffnungszeremonie des ersten Hochschultages von FU und Humboldt-Universität wurde gesprengt / Streik-Veteranen, Besetzer aus der Brümmerstraße und Mitglieder der Schweine-Mensa ließen die Veranstaltung hochgehen / Das Nachsehen hatten die StudentInnen von drüben

War es Zufall oder eine Vorsichtsmaßnahme im Protokoll, daß FU-Präsident Dieter Heckelmann die Eröffnungsehren an Christoph Müller abtrat? Es kam, womit Heckelmann spätestens seit dem Streik im vergangenen Wintersemester vertraut ist: Die Eröffnungsveranstaltung des ersten gemeinsamen „dies academicus“ der Freien Universität Berlin und der Ostberliner Humboldt-Uni wurde „gesprengt“. Etwa hundert Studentinnen und Studenten zogen um 10.15 Uhr - pünktlich zum Ende des akademischen Viertels - im Audi Max der FU ein, unter ihnen neben ehemals Streik-Aktiven vor allem Besetzer des FU-Gebäudes Brümmerstraße 52 („B52s“) und der FU -Schweine-Mensa.

Mit Trillerpfeifen, Flugblättern und Spruchbändern besetzten sie das Podium und vereinnahmten das Mikro. Die Spruchbändern zeigten, worum es ging: „B-Freit uns von Heckel“, forderte eines; „Keine Kooperation der Unis für das Kapital“, mahnte ein anderes. Christoph Müller, Vorsitzender der Kommission des Akademischen Senats zur Vorbereitung des Hochschultags, kapitulierte widerwillig und strich seine Eröffnungsrede.

Dabei war alles trotz der „sehr kurzen Vorbereitungsphase“ (Müller) so schön geplant worden. Jeder Uni standen 600 Eintrittskarten für die Eröffnung zur Verfügung: je 200 für die Dozenten, den wissenschaftlichen Mittelbau und StudentInnen. Sollten unter den 60.000 FU-Studis mehr als 200 Interessenten auftauchen, so wollte man es ähnlich machen wie bei der Einweihung der FU am 4. Dezember anno 1948. Friedrich Meineke, damals 82jähriger Historiker und erster FU-Rektor, konnte wegen einer Erkältung nicht persönlich bei der Eröffnung erscheinen. Flugs übertrug man seine Rede per Radio; die Jugend lauschte gespannt. Diesesmal hatte man sogar eigens eine Video-Leitung in ein Nachbargebäude gelegt. Dort hätte jeder dem Zeremoniell per Monitor folgen können.

Nun kam alles ganz anders. Und leider lief es auch für die Vertreter der Humboldt-Uni anders als geplant. Für sie sei das alles „sehr ungewohnt“, meinte Dieter Klein, Ökonom und Prorektor der Humboldt-Universität. „Aber, wenn die Studenten meinen, sich artikulieren zu müssen“, fuhr er fort, so fände er das „gut“. Auf der anschließenden Presse -Konferenz hätte er das wohl nicht sagen können. Vielleicht blieb er ihr deswegen fern - wie alle anderen Humboldt -Dozenten auch.

Susen Arndt, Sprecherin des Humboldt-Studentenrates, zeigte sich angesichts dieses Boykotts enttäuschter. Auf einem vorhergehenden Treffen von FU-AStA und Humboldt-Studis hatte man über den Ablauf dieses „dies academicus“ diskutiert. Der Vorschlag einer Minderheit von Ostberliner Studenten, den Hochschultag zu boykottieren, wurde dort basisdemokratisch niedergestimmt. Susen Arndt war ob dieser„Sprengung“ „erst mal total schockiert“.

Das Chaos, in dem die Eröffnungsveranstaltung endete, dürfte den Studentinnen und Studenten der Humboldt-Uni am meisten geschadet haben. Zwar hatten die Studentenvertreter laut Protokoll nur fünf Minuten Rederecht. Susen Arndt wollte aber wenigsten diese fünf Minuten „als Sprachrohr“ nutzen, um auf die immer noch harten Fronten in der Humboldt -Universität hinzuweisen. „Uns wurde die Möglichkeit genommen“, zieht Susen ihr Fazit, „unsere Position zu artikulieren!“ Wieder einmal.

Eines steht jedenfalls fest: Heckelmann entging auf diese Art einer direkten Konfrontation mit etwa 150 Studentinnen und Studenten, die sich die Eröffnung eines gemeinsamen FU -HUB-Hochschultages anders vorstellten. Dem ohnehin unpopulären FU-Präsidenten blieb ein weiterer peinlicher Auftritt vor den Augen der akademischen Elite, Fotoapparaten, Fernseh-Kameras und spitzen Bleistiften erspart.

Martin Schrader

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