: Schäbige Spiele
Poker um Regierungsbeteiligung macht die DDR-Opposition nicht glaubwürdig ■ K O M M E N T A R E
Gewiß, es reizt, die Schwäche der SED-PDS auszunutzen, zumal die berechtigte Hoffnung besteht, daß sich damit Wahlkampfpunkte machen lassen. Die Schwäche der SED ist paradox (und diese Paradoxie lähmt vor allem): Die SED ist politisch schwach, weil ihr Apparat nach wie vor stark ist. Und sie ist schwach, weil die Debatte über die Auflösung der Partei, verschärft durch die immer neue Austritte, weitergeht. So gesehen ist es also leicht, Punkte gegen die SED zu machen. Nichts gegen eine kühle Machtpolitik von seiten der Opposition also, zumal eine exemplarische Wahlniederlage der SED nicht nur im Interesse der Opposition liegt, sondern auch im Interesse einer stabilen DDR.
Dennoch ist es erschreckend, wie gegenwärtig die Opposition den Beitritt in die Regierung Modrow behandelt: Da wird von Modrow und den SED-Ministern ultimativ verlangt, daß sie die Mitgliedschaft ruhen lassen bzw. daß sie aus der SED austreten. Verbunden mit der deutsch-deutschen Dauerkampagne gegen diese Regierung, gegen ihre Legitimität als Übergangsregierung, verbunden mit dem Anspruch, Modrow solle den nationalen Notstand erklären, geraten die Manöver der Opposition in ein fatales Licht. Sie wollen einen Offenbarungseid der Regierung, nur um ihren Eintritt in eine große Koalition zu rechtfertigen. Sie wollen die Unglaubwürdigkeit regierender SED-Funktionäre bewahren und gleichzeitig für ihre Regierungsteilnahme eine Glaubwürdigkeitsgarantie erhalten - eben von genau der Regierung, deren Legitimität bestritten wird. Wie soll dieses Verfahren, in dem sich gegenwärtig der Demokratische Aufbruch und die SPD profilieren, anders genannt werden als heuchlerisch, schäbig und erpresserisch. Zumal der Demokratische Aufbruch und die CDU-Ost sich vor allem deswegen an diesem unsauberen Spiel um die Regierung beteiligen, weil es auch um die „vereinigte Mitte“ geht, die sich auf Druck der Bonner CDU zusammenfinden soll. Sind derlei miese Manöver eine Vorwegnahme der künftigen DDR -Innenpolitik? Sie würde sich jedenfalls um keinen Deut von den antidemokratischen Machterhaltungspraktiken der Bonner Parteien unterscheiden. Auf jeden Fall macht das öffentliche Pokern über die Teilnahmebedingungen an der Regierung Modrow die Opposition nicht glaubwürdig.
Wären Modrow und die Seinen vestockte Stalinisten, dann würden sie um der Machterhaltung willen mühelos ihre Mitgliedschaft ruhen lassen - gar auf Parteibefehl. Sind sie es nicht, dann gibt es keinen Grund, sie öffentlich zu demütigen. Entweder ist ein SED-Minister auch in einer Übergangsregierung untragbar, dann sollte der Rücktritt von Modrow gefordert werden, oder man beteiligt sich an der Regierung auf der Basis sachlicher Notwendigkeit. Aber der SED gegenüber politische Verantwortung einzuklagen und gleichzeitig die politisch Veranwortlichen aus der SED herauszuschießen, ist nicht nur widersprüchlich, sondern schlicht unseriös. Es zeigt sich daran das prinzipielle Dilemma der Opposition: Die Verfilzung von SED und Staat läßt sich nicht auflösen, ohne eine Versöhnungsperspektive zu entwickeln. Man kann die Lösung dieses zentralen innenpolitischen Problems ja nicht der Strafjustiz überlassen. Die Menschen im Apparat müssen ja nicht nur wegen Machtmißbrauchs zur Rechenschaft gezwungen werden, sie müssen auch eine Idee der Veränderung sehen. Die Demokratisierung der DDR muß ja auf die Identität von Staat und Partei zerbrechen. Kann sie Erfolg haben ohne eine Demokratisierung in der SED? Eine Poliik, die die SED außen vor läßt, müßte darauf hinauslaufen, alle SED-Mitglieder zu marginalisieren. Aber was für ein demokratischer Aufbruch wäre das dann?
Klaus Hartung
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