Grüne Woche, Guiness, Heuriger - und Blue Hawaii

■ Grüne Woche flüssig - Der taz-Reporter unternahm einen Selbstversuch - und einen echt multikulturellen Rundgang / Fazit: Zu viele Kulturen auf einmal sind auch nicht das Wahre... / Das Gläschen für 'ne Mark - oder ganz umsonst

„Waren wir schon in Österreich, Gustav“, stöhnt eine Endfuffzigerin ihren Mann an. „Nein“, sagt Gustav „Österreich kommt erst in Halle 16.“ Dort trinken Lederhosen samt Sympatisanten mit Heurigen auf das süße Leben und die schönen Frauen. Jedesmal, wenn der Akkordeonspieler glaubt, eine zu sehen, knallt er die Hacken zusammen und prostet „Gnädige Frau“ zu ihr. Ich stürze mein erstes Glas runter und lasse mich vom Menschenstrom weiterschleifen. Im Fischmarkt führt ein Darsteller mit Kochmütze den Monolog „Ich und der Rotbarsch“ auf. Im ersten Akt, Frische Fische, gibt er dem meist älteren Publikum kund „Fisch muß nach Fisch riechen und nicht stinken“. Ich gehöre zu den 30 Prozent, die Fisch nur wegen der Gräten nicht essen und bevor das blitzende Messer fischblutrot wird, fliehe ich in Richtung Bols-Cocktail-Bar. Hier schenkt der deutsche Meister der Barkeeper Norbert Noever kunterbunte Mixgetränke mit hochprozentiger Wirkung aus.

Zwei Ehepaare aus Frankfurt/Oder liegen ungeniert und wohlgelaunt in der Ecke und empfehlen mir „einfach alles durcheinander zu trinken“. Ich fange mit „Grüne Witwe“ an. Der Meister hält die Flasche beim Eingießen einen halben Meter über das Glas und mein Barnachbar aus Hamburg wird ganz witzig: „Das habe ich schon dreimal versucht, mußte aber jedesmal den Teppich wechseln.“ Da lacht selbst das Yuppie-Pärchen, daß eigentlich so tun will, als wären „Blue Hawaii“ und „Tropical Red“ für sie das, was für andere Hagebuttentee ist. „Die Devisen sind aus, wir gehen nach Haus“, singt es aus der Ecke, ich begrüße den dritten Cocktail in mir und schließe mich wieder dem Plastiktütenstrom an.

Ein Dickbauch mit Schlips, der aussieht, als hätte er alleine schon die letzte Hungersnot verursacht, streitet sich mit seiner Frau, ob der Hummer mit 20 Mark nun billig war oder nicht. Ein Wessiland-Ehepaar freut sich, daß „die Neger am Sambiastand so nett waren“ - und das Mexico-Schild zieht mich magisch aus dem Verkehr. Zusammen mit zwei Rockertypen zeigen wir dem Mexikaner, daß wir auch wissen, wie man den weißen Schnaps volkstümlich hinter die Binde kippt. Die Blamage folgt auf dem Fuß. „Falsche Reihenfolge, Muchachos“, meint er, als wir gerade die Zitrone auslutschen. „Erst das Salz, dann die Zitrone und zum Schluß den Tequilla“, bringt er unsere Gewohnheiten zum Einstürzen. Die nächsten trinken wir also „richtig“ und langsam fängt der Rundgang an zu wirken. Leicht schwankend laufe ich einfach der Masse nach. Ein Geruch, der nicht auf Nouvelle Cuisine verweist, kündigt die Tierhalle an. Hier findet eine Art Bodybuilding-Wettbewerb für Rindviecher statt. Der Moderator stellt den Sieger der Rasse „Shorthorn“ vor. „Gute Bemuskelung und einen doch eleganten Gang“ glaubt der Ansager bei dem 2000 kg schweren Koloß zu erkennen. Ich teile meine Flasche thailändisches Tigerbier mit einem Züchter, der mir versichert: „Meine Bullen kannste mit ins Bett nehmen, so lieb sind die.“ Ich entziffere ein Schild an der Decke mit „Hinterwäldler“ und freue mich schon, endlich mal drei Schwarzwälder Bauern auf so engem Raum angekettet im Sägemehl liegen zu sehen, muß mich aber enttäuchen lassen. Hinterwäldler ist nur die kleinste Rinderrasse in der BRD. Ich muß mich erstmal setzen und vor mir läßt sich ein streitendes Ehepaar voll von der Umgebung einfangen. „Wenn du den größten Ochsen sehen willst, mußt du zu Hause in den Spiegel gucken“, ist sich die Ehefrau sicher. „Blöde Kuh“, fällt dem angeblichem Vierbeiner darauf ein.

Umsonst gibt es in den Kalorientempeln nur die Plastiktüten. Interessant sind aber die kleinen Glässer, die überall zum Kosten der landestypischen Spirituosen einladen. Manchmal umsonst, meistens für 'ne Mark, hinterlassen sie mehr Wirkung als norwegischer Seelachs für viel Geld. So komme ich in rascher Reihenfolge zu Reisschnaps aus Bangkok, Wodka aus Polen und einem Zuckerrohrschnaps aus Paraguay. Daß ich noch ein Guinessbier getrunken habe, wird mir erst klar, als der Kellner in der Griechenlandhalle mich weckt und auf das leere Bierglas zeigt. „Hier können Sie nur sitzen, wenn Sie was bestellen.“ „Was denn“, frage ich lallend. „Ich empfehle einen Metaxa.“ Das wars.

Torsten Preuß