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Basisarbeit statt Regierungsbeteiligung

Reinhard Schult, Vertreter des Neuen Forums am runden Tisch, unmittelbar nach dem Eklat im Plenum  ■ I N T E R V I E W

taz: Gerade eben seid ihr zu mehreren Dutzend Delegierten aus dem Plenum der Gründungskonferenz des Neuen Forums ausgetreten. Ist das die Spaltung der größten Oppositionsgruppe der DDR?

Reinhard Schult: Ich denke, die Spaltung ist da. Wie es weitergehen wird, müssen wir jetzt gleich erst mal beraten. Nach meiner Meinung muß eine neue Organisation gegründet werden, die klare Positionen für dieses Land bezieht, klare Positionen für den sozialen Erhalt hier. Im Unterschied zu dem, was hier an Diskussionen gelaufen ist, muß sich so eine Organisation klar beziehen auf die arbeitenden Menschen und darf nicht den Ausverkauf der DDR vorantreiben.

Drei Stunden vor den Verhandlungen zwischen Modrow und Opposition über eine große Koalition präsentiert sich das Neue Forum politik- und handlungsunfähig wie nie zuvor. Könnt ihr euch die Spaltung jetzt leisten?

Die Situation im Neuen Forum ist so desolat wie im gesamten Oppositionsspektrum. Die Opposition tritt heute im Prinzip ohne politisches Programm, ohne konkrete Vorstellungen für die Regierungsarbeit im Kabinett Modrow an. Ich denke, wir können uns überhaupt nicht leisten, zu den Verhandlungen zu gehen.

Ist das ein Plädoyer dafür, daß das Neue Forum sich nicht beteiligt an der Koalitionsregierung?

In der jetzigen Situation plädiere ich sogar dafür, daß das Neue Forum sich nicht an den Volkskammerwahlen beteiligt, sondern sich nur auf kommunale Arbeit und Betriebsarbeit konzentriert und dort versucht, soviel wie möglich für die Menschen in unserem Land rauszuholen.

Werden von dieser Position, sofern sie sich durchsetzen sollte, nicht allein die Sozialdemokraten und die Konservativen profitieren?

Sicher, diese Gefahr besteht. Ich denke aber, daß die Sozialdemokraten und die Konservativen genauso davon profitieren, wenn das Neue Forum sich keine eigentliche Kontur, kein eigenes Profil schafft, sondern so weitermacht wie bisher. Dann ist es nämlich von Sozialdemokraten und Konservativen nicht mehr zu unterscheiden.

Genauso, wie sich das Neue Forum zwei Tage lang um die internen Konflikte gemogelt hat, genauso demonstriert die Opposition am runden Tisch eine seltsame Eintracht. Macht es überhaupt noch einen Sinn, von „der Opposition“ zu sprechen?

Der Bruch ist schon seit einigen Wochen zu konstatieren. Es gibt keine geschlossene Opposition.

Rolf Henrich hat Ingrid Köppe und Sie soeben öffentlich angefleht, weiterhin am runden Tisch für das Neue Forum teilzunehmen. Was werdet ihr tun?

Eigentlich sehe ich darin im Moment keinen großen Sinn mehr, wir werden darüber gleich noch beraten. Fragen Sie mich dazu lieber 'ne Stunde später.

(Das verhinderten ein Stau an der Grenze und der taz -Redaktionsschluß).

Interview: Petra Bornhöft

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