: Mit Air-Force-Daten auf Du und Du
■ Bremer Hacker wegen KGB-Spionage in Celle vor Gericht
Mit einer Mischung aus frei erfundenen Informationen über militärische Programme und Computerspiele hat der amerikanische Astrophysiker Professor Clifford Stoll vom Lawrence-Berkeley-Laboratory (LBL) in Kalifornien westdeutsche Computerhacker so lange in Sicherheit gewiegt, bis er ihre Spuren nach Hannover, Karlsruhe und Bremen verfolgen konnte. Vor dem dritten Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle sagte Stoll im Prozeß gegen drei der Spionage für den sowjetischen Geheimdienst KGB angeklagte Hacker aus. Einer von ihnen, der 28jährige Programmierer Markus H. aus Hannover, hat zugegeben, in den LBL-Rechner eingedrungen zu sein. Allerdings bestreitet er, erhackte Daten auch kopiert zu haben.
„Hackerjäger“ Stoll war im August 1986, als der „Chaos Computer Club - Leitstelle 511“ bereits Kontakt zum KGB in Ost-Berlin aufgenommen hatte, auf den ungebetenen Benutzer seines Systems aufmerksam geworden. Über ein Jahr lang verfolgte er den Hacker. „Er benutzte unseren LBL-Computer nur als Sprung
brett und hat über unseren Rechner aus anderen Rechnern kopiert“, erklärte Stoll. So seien auch SDI und Space -Shuttle-Starts über dieses Netzwerk kopiert worden. „Wir beobachteten, daß der Verkehr hauptsächlich aus Hannover kam. Ich schickte dem Hacker einen elektronischen Brief mit der Aufforderung, sich bei uns zu melden, falls er weitere Informationen über das SDI-Netz haben wollte“, sagte der 39jährige Astrophysiker aus. Drei Monate später sei tatsächlich eine Bitte in der kalifornischen Mailbox angekommmen. Er schickte weitere gefälschte Informationen, bis das FBI ihm am 27. Juni 1987 mitteilte, die „Person“ werde nicht länger in sein System eindringen.
Nach den Beobachtungen des Zeugen Stoll hat der Hacker sechs verschiedene Rechner im LBL benutzt. Gefährlich sei es geworden, als der „Hunter“ in einen Medizinrechner eindrang, der als Teilchenbeschleuniger zu Gehirnuntersuchungen benutzt wurde: „Veränderungen in diesem Rechner hätten einen Patienten schwer verletzen können. Wir
haben den Zugang sofort unterbrochen“, erklärte Stoll. Er habe beobachtet, wie der Hacker in die Systeme der US-Armee, der Navy, der Air-Force und verschiedener Rüstungsfirmen und Universitäten eindrang. Die Sache mit dem SDI-Netzwerk habe ihn sehr besorgt gemacht, so daß er „in einem sehr schwierigen Telefongespräch“ mit der Air-Force-Base den Verantwortlichen die Gefahr klarzumachen versuchte: „Die glaubten es aber wohl nicht ganz“, vermutete Stoll.
Ein anderes Mal habe er beobachtet, wie der Hacker einen Militärrechner im Pentagon anging: „Ich sah, wie er nach Paßworten suchte und schließlich Informationen über westliche Alliierte, nukleare Kriegspläne in West-Europa und Papiere über chemische und biologische Kriegsführung bekam.“ Er und seine Kollegen hätten auch gesehen, wie der Eindringling in den US-Armee-Computer in Georgia gelangte, die Raketenbasis in Alabama „besuchte“ und die US-Air-Basis im pfälzischen Ramstein „anzapfte“.
dpa
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