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Neue Herren im Ratskeller

■ 'Maritim'-Gruppe pachtet weltberühmten Weinausschank / Vermarktung frei

Nein, Bier wird es auch weiterhin nicht geben im Bremer Ratskeller, wie seit 580 Jahren. Auch nicht in den erst geplanten „Weingärten“, die draußen „100 attraktive Außensitzplätze“ bieten sollen, wenn erst die Genehmigung da ist. Der Bremer Ratskeller ist dem „Maritim„ -Hotelkonzern als neuem Pächter in die Hände gefallen, und folgerichtig wurde gestern bei der Presse-Präsentation der Hotelketten-Management-Jargon nur stellenweise durch Versatzstücke wie „traditionsreicher Bau“ und „echte historische Geschichte soll wahr werden“ verkleidet.

Jedenfalls ist Schluß mit dem gelblichen Wandbelag aus alter Farbe, Nikotin- und Fettfilm, den nur ganz Hartgesottene bei schleppender Bedienung als Zeichen uriger Gemütlichkeit mißverstanden. Die Investoren haben sich nicht lumpen lassen und gleich und gründlich klar Schiff gemacht. Allein 4,5 Millionen hat die stadteigene Ratskeller-GmbH in die Sanierung gesteckt, Keller trockengelegt, Gewölbe saniert, Installationen unter den alten Steinplatten verschwinden las

sen. Es ist hell geworden und blitzsauber. Die Wandfresken und die alten Bilder sind überarbeitet, die Gewölbe geweißt, eine neue Lichtanlage, die den Namen verdient, ist installiert. Die große Küche blitzt vor Chrom: Hier ließen die neuen Herren alles, alles herausreißen und neu um- und einbauen. Allein eine Million hat die Ausstattung mit „Kleininventar“ gekostet: rosa Tischdecken, Platzteller, Geschirr, Besteck: Jeder Salzstreuer ist neu.

Die rund 60 „hochmotivierten Mitarbeiter an der Front“ in Küche und Service bestehen zum Großteil aus der alten Crew, die vollständig übernommen wurde; sie werden aber planvoll „mit neuen Kräften durchsetzt“, um den angestrebten Standard zu erreichen. Das kann gewiß nicht schaden und ist gut fürs Konzern-Image: „Wir sind ja mit 22 Jahren auch eine traditionsreiche Hotel-Gesellschaft“, versuchte der Maritim -Manager auch ein bißchen historischen Glanz aufs eigene Haus zu lenken.

Wie seit jeher soll es auch künftig nur deutsche Weine geben, darunter ist auch mal ein Öko

Wein im Sortiment; demnächst sollen DDR-Weine dazukommen. Während übliche Luxus-Hotels rund 150 Weinsorten auf der Karte haben, gibt es im Bremer Ratskeller 650: angesichts des Aufwandes und der Kosten an Lagerhaltung einmalig, „aber (!) daran soll nicht gerüttelt werden“, erkannte der Manager, worauf es ankommt. Wenn erst auf der Bürgerweide das neue Kongreß-Zentrum fertig ist, wo Maritim das Hotel bewirtschaften wird, dann, ja dann kann man den Ratskeller so richtig „vermarkten, sowas Historisches ist immer ein Anreiz!“

Nicht nur der Weinausschank, auch die Gastronomie (eher exklusiv als bürgerlich) soll künftiger Schwerpunkt sein; man wird in allen Räumen essen können: an Holztischen in der Halle, in einem der Säle rosagedeckt, oder auch in einem der Separees, die „Priölken“ heißen: Bei nur zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts mußte übrigens traditionsgemäß die Tür geöffnet und die Kontrolle über die Gäste auf den lederbezogenen Sitzbänken gewahrt bleiben. S.P

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