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Gratuliere, Ute Scheub

■ Betr.: "Melancholie", taz vom 24.1.90

betr.: Kommentar „Melancholie“, taz vom 24.1.90

Nachdem die taz spätestens mit der Berichterstattung von den Ereignissen in Osteuropa deutlich an Niveau gewonnen hat, hier nun also der vorläufige Höhepunkt, gleichsam das Tüpfelchen auf dem „I“ - eben besagter Kommentar. Selten zuvor wurde die gegenwärtige Situation in der BRDDR so auf den Punkt gebracht, wurde die sukzessive Ernüchterung als Reaktion auf “...die aufkommende Ödnis“ prägnanter formuliert.

Analytische Schärfe, eine bilderreiche und doch ungeheuer klare Sprache, nicht zuletzt ein gehöriges Maß an Selbstironie - all das und vieles mehr zeichnet diesen Kommentar aus, dessen Schlußsatz man zur zustimmen kann: „Küß mich, Melancholie.“

Gratuliere, Ute Scheub.

Bernd Hirsch, Heidelberg

Ich möchte Ute gratulieren für ihren literarisch gelungenen Kommentar, insbesondere für die schöne Wortschöpfung „Rank-Xerox-Revolution“. Aber analytisch ist sie dem Geheimnis der osteuropäischen Revolution nur zur Hälfte auf die Spur gekommen.

Alle früheren Revolutionen wollten etwas über das Bekannte und Existierende Hinausgehendes schaffen/aufbauen. Die osteuropäische Revolution hat das nicht gewollt. Von Anfang an wollte die Mehrheit der Ostrevolutionäre nur das restaurieren, was vor 1939 war. Insofern kann mensch auch zweifeln, ob die osteuropäische Revolution die Bezeichnung „Revolution“ verdient. Aber gönnen wir ihr die Bezeichnung.

Alle wissen - auch im Osten -, daß die Mehrheit der Ostrevolutionäre nicht bloß bürgerliche Demokratie und Freiheit erreichen wollten, sondern auch und vor allem den bürgerlichen Lebensstil und Lebensstandard des Westens. Es ist aber inzwischen überall klar geworden, daß mit gesellschaftlichem Eigentum, Genossenschaften, Aktiengesellschaften im Besitz der Belegschaften, Räten auf vielen Ebenen und insbesondere mit ökologischen Prioritäten (Utes Ideale) zwar die Ziele unentfremdete Arbeit, Solidarität, Freiheit, Demokratie und gesunde Umwelt, nicht aber das Ziel bundesrepublikanischer oder US-amerikanischer Durchschnittswohlstand erreicht werden können.

Es ist eine Frage des Wählens zwischen zwei Alternativen. Ostrevolutionäre, die Freiheit undWohlstand erreichen wollen, müssen nicht nur die westliche Parteiendemokratie, sondern auch die westliche, kapitalistische, umweltzerstörerische und mörderische Konkurrenzwirtschaft kopieren und eine Eindrittelgesellschaft akzeptieren. Wer sich Utes Ideale zu Eigen gemacht hat, der muß auf den westlichen Wohlstand verzichten.

Saral Sarkar, Köln

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