Keine Kompromisse in der Provinz Kosovo

Bei den bisher schwersten Auseinandersetzungen in der südjugoslawischen Provinz gab es drei Todesopfer / Serbische Studenten in Belgrad fordern Waffen und Regierungsrücktritt / Rückzug der slowenischen Polizeikräfte aus Kosovo / Unterschriftenaktion für Volksabstimmung  ■  Von Roland Hofwiler

Die südjugoslawische Provinz Kosovo steht am Rande des Bürgerkriegs. Nach tagelangen Demonstrationen der albanischen Bevölkerung Kosovos haben sich in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch Spezialeinheiten der Polizei und DemonstrantInnen heftige Feuergefechte geliefert. Dabei sollen zwei Demonstranten und ein Polizist ums Leben gekommen sein. Die Tausende von Kosovo-Albanern verlangten die Aufhebung des Ausnahmezustands in ihrer Provinz und die Einstellung von Kosovo-Politikern. Die Polizei löste unter massiven Einsatz von Waffen und Tränengas die Demonstrantion auf.

Der Dienstag wurde von den jugoslawischen Medien als dramatischster Tag seit dem Wiederaufflammen des Konflikts bezeichnet. Eine Entspannung der kritischen Lage, hieß es gestern vormittag im jugoslawischen Rundfunk, sei nicht abzusehen. Seit Beginn der gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kosovoi sind 13 Menschen getötet worden.

Ebenfalls in der Nacht auf Mittwoch versammelten sich in der jugoslawischen Hauptstadt an die 10.000 serbische Studenten vor dem Parlament. Sie verlangten Waffen, um die Slawen in Kosovo vor den Albanern zu schützen, und forderten einen Generalstreik sowie den Rücktritt der höchsten Staatsorgane Jugoslawiens, wenn die Auseinandersetzungen in Kosovo nicht innerhalb von 24 Stunden gestoppt würden. In Sprechchören riefen sie: „Hängt Azem Vlasi.“ Vlasi, der frühere kommunistische Parteichef Kosovos, steht unter Androhung der Todesstrafe vor Gericht, da er für den Beginn der Gewalttätigkeiten vor einem Jahr verantwortlich gemacht wird. Wie das Belgrader Fernsehen in einer Sondersendung berichtete, ist die serbische Bevölkerung in Kosovo besonders darüber enttäuscht, daß sich das Bundespräsidium erst nächste Woche mit der Situation in der Krisenprovinz „gründlich befassen würde“. Für eine weitere Aufheizung der Stimmung sorgte am Dienstag abend eine Gruppe Intellektueller serbischer Nationalität in Pristina. Sie verlangten den Einsatz der Armee, da die Polizeieinheiten unzureichend seien.

Die jugoslawischen Medien warnten am Mittwoch vor der Krise in Kosovo und dem Anwachsen eines „militanten Islam“. In der kroatischen Hafenstadt Split zogen unterdessen 300 Albaner schweigend durch die Straßen. Sie appellierten an die „kroatische Intelligenzia“, ihren Brüdern und Schwestern in Kosovo zu helfen.

Das Parteiorgan der slowenischen Kommunisten, 'Delo‘, erklärte, daß das „Marionettenregime“ in der Kosovo-Provinz keine Legitimation mehr habe. Wahllos werde ein ganzes Volk

-gemeint ist die albanische Minderheit im Vielvölkerstaat Jugoslawien - zu Terroristen abgestempelt und jedes Verhandlungsangebot ausgeschlagen. Die slowenische Republiksregierung entschlösse sich nun dazu, alle slowenischen Polizisten aus Kosovo abzuziehen. Auch die Republiken Kroatien und Bosnien-Herzogwina, so zitierte 'Delo‘ gut unterrichtete Kreisen, erwägten diesen Schritt. Die Folge wäre jedoch eine weitere Isolation der serbisch dominierten Führung in Kosovo und ihr möglicher Rücktritt.

Unterdessen hat selbst der kroatische Admiral Sveto Letica, Mitglied des jugoslawischen Generalstabs, die serbischen Kommunisten bezichtigt, an der albanischen Minderheit ein Massaker begangen zu haben. Dies deutet nach Ansicht von Beobachtern auf eine Spaltung in den Reihen des Militärs hin.

Albanische Intellektuelle begannen dieser Tage mit einer Unterschriftenaktion zugunsten einer politischen Lösung des Konflikts. Der Aufruf trug das Motto: „Gegen Gewalt - für Verständigung“. Bisher sollen nach Angaben des Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes, Ibrahim Rugova, 120.000 Unterschriften zusammengekommen sein. Ziel der Unterschriftenaktion ist die Durchsetzung einer Volksabstimmung für freie Wahlen, freie Presse und mehr Autonomie in Kosovo.