: „Hautentzündungen und Nasenbluten“
■ Bewohner der südöstlichen Stadtrandgemeinde Bohnsdorf haben vom Flughafen Schönefeld die Schnauze voll - und sind nahezu geschlossen gegen den Ausbau des Airports / Lufthansa-Chef Ruhnau in Bohnsdorf: DDR sollte Bau eines neuen Airports vorziehen
„Ja, ist das denn hier eine Demonstration?“, wundert sich der eingeladene AL-Abgeordnete Cramer. Obwohl in Bohnsdorf, hart am östlichen Rand des DDR-Flughafens Schönefeld überhaupt nur etwa 8.000 Leute wohnen, mögen es 5.000 bis 6.000 sein, die am Mittwoch abend in das „Volkshaus“ wollen. Doch nur 500 von ihnen passen in den noch mit bunten Karnevalsgirlanden geschmückten Veranstaltungssaal. Alle wollen die Gelegenheit nutzen, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben den von ihrer neuen Bürgerinitiative „Leben in Bohnsdorf“ geladenen Politikern und Bossen von Fluggesellschaften aus Ost und West die Meinung zu der unerträglich empfundenen Belastung durch den Flugverkehr sagen zu können. Was es heißt, direkt am Ende einer der beiden Startbahnen von Schönefeld leben zu müssen, weiß an diesem Abend beispielsweise Frau Urbanczyk von der BI zu schildern: „Ich habe seit 1974 - so lange wohne ich hier Probleme mit Hautentzündungen, geschwollene Nasenschleimhäuten und Nasenbluten.“ Ihrem Vorredner, dem Initiativensprecher Dr. Kaczmarezyk, wurde durch die Sogwirkung der landenden Maschinen „schon dreimal das Dach abgedeckt“. Die Top-Forderungen klingen da geradezu bescheiden: Nutzung der direkt auf Bohnsdorf zulaufenden Start- und LandebahnI nur noch für Flieger der lärmarmen Kategorie3, ein absolutes Nachtflugverbot auch auf der anderen LandebahnII. Und kein Ausbau von Schönefeld.
Das zielt auf die erst vor wenigen Tagen vereinbarte Kooperation von Lufthansa und Interflug. Dabei wurde auf der gemeinsamen Pressekonferenz in Schönefeld schon über ein im Großraum Berlin zu bewältigendes Passagieraufkommen von 20 bis 50 Millionen gesprochen. Solche Zahlen müsse man „stark anzweifeln“, meint indessen auch der Stellvertreter des Ostberliner Oberbürgermeisters, Dr. Schmahl, der sich als Vorsitzender des Regionalausschusses äußert. Wenn jetzt über eine Umverlagerung von zwei Millionen weiteren Fluggästen von Tegel nach Schönefeld spekuliert werde, „reicht das als Begründung für den Ausbau von Schönefeld nicht aus“, so Schmahl. Als er dann die Forderungen der Bürger für „vollauf gerechtfertigt“ hält, bricht geradezu frenetischer Jubel aus. Ein anschließender Seitenhieb auf den immer verdrossener wirkenden Interflug-Oberen Henkes sitzt. Zu schleppend und halbherzig laufe ein mit dem Bezirk und dem Magistrat vereinbartes „Stufenprogramm des Schutzes der Umwelt des Flughafens Schönefeld“ an, war bereits anfangs kritisiert worden. So präsentiere das frisch eingerichtete Umweltschutzbüro der Interflug „eine Lärmkarte, aber mehr nicht“.
Für den avisierten neuen Großflughafen „Berlin International“ habe man mittlerweile sechs alternative Standorte ermittelt, erläutert Henkes. Die entsprächen alle der optimalen Anforderung, daß beim Anflug keine Städte und Gemeinden überflogen werden müßten und der äquivalente Dauerschallpegel, sprich die Lärmbelastung außerhalb der unbewohnten Gebiete nicht das Limit von 50 bis 60 Dezibel überschreite. In Schönefeld werde es trotz Ausbau durch den Einsatz größerer Maschinen etwa bei 35.000 Flügen pro Jahr bleiben, beruhigte der Interflug-Chef. Darüber hinaus könne seine Gesellschaft einige Nebenforderungen, wie die nach dem Verbot von Trainingsflügen auf der LandebahII sofort erfüllen.
Als noch mehr „arrogant“ als der vermutete SED-Genosse wird der ebenfalls gekommene Lufthansa-Vorstandsvorsitzende Ruhnau im „Volkshaus“ empfunden. Umweltbelastungen seien eben ein „Gesamtproblem“ der DDR, meint Ruhnau und gibt den Rat: „Wir sollten aufpassen, daß wir über den Ärger über die Tupolew 134 nicht den Trabi vergessen.“ Eventuell müsse der für 1995 angepeilte Baubeginn des neuen Großflughafens jedoch vorgezogen werden. Unter Umständen habe sich die Lufthansa „aus der unternehmerischen Betrachtung heraus“ die Frage der Zuträglichkeit von innerstädtischen Flughäfen für die lange Übergangszeit von zehn bis fünfzehn Jahren „nicht radikal genug gestellt“.
Thomas Knauf
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